Zinssorgen halten den Dax wohl noch über Monate in Schach |
01.04.2023 09:05:00 |
FRANKFURT (dpa-AFX) - Angesichts des ungünstigen Mix aus hohen
Zinsen, hoher Inflation und Furcht vor einer Bankenkrise rechnen
Experten zumindest bis zum Herbst mit einem unruhigen Kursverlauf an
den Börsen. Der deutsche Leitindex Dax ist zwar
überraschend gut in das Jahr gestartet, doch Vermögensverwalter Jens
Ehrhardt von DJE Kapital fand jüngst auf einem Treffen der
Fondsbranche in Mannheim mahnende Worte: "Wir sind noch nicht über
dem Berg." Wegen der zuletzt restriktiven Notenbankpolitik in den
USA und in Europa sei der Gegenwind immer noch stark.
Dank der in den letzten Monaten stark gesunkenen Energiepreise
konnte sich der Dax etwas von den Rezessionssorgen in den USA
entkoppeln und stieg im ersten Quartal um gut zwölf Prozent. Auch
das jüngste Bankenbeben tat der guten Stimmung bislang keinen
Abbruch, obwohl in den USA kleine Geldhäuser in Straucheln geraten
oder gar zusammengebrochen waren und in der Schweiz die Credit
Suisse per Notverkauf an die Konkurrentin UBS
aufgefangen werden musste.
All dies weckte zwar ungute Erinnerungen an die Insolvenz der
US-Bank Lehman Brothers im Jahr 2008, die Schockwellen durch das
globale Finanzsystem gejagt hatte. Doch Fachleute wie die
"Wirtschaftsweise" Ulrike Malmendier sehen aktuell jedoch keine
Gefährdung der Finanzmarktstabilität.
So äußerte sich in Mannheim auch Carsten Roemheld,
Kapitalmarktstratege beim Vermögensverwalter Fidelity: "Wir sind
weit weg von einer erneuten Finanzkrise". Die Banken dies- und
jenseits des Atlantiks wiesen derzeit insgesamt sehr solide Bilanzen
auf und im Notfall würden die Mechanismen der Politik und der
Notenbanken viel schneller greifen als in der Vergangenheit.
Auf die jüngsten Turbulenzen hatten sechs wichtige Notenbanken rasch
reagiert und die Schlagzahl zur Versorgung des Finanzsystems mit
Dollar-Liquidität erhöht. Dabei liehen sich US-Banken eine
Rekordsumme an kurzfristigen Krediten bei ihrer Notenbank Fed. Denn
die Staatsanleihen in den Bilanzen der Finanzhäuser haben infolge
der Zinswende an Wert verloren - das kann zum Problem werden, wenn
sie die Papiere vor Ende der Fälligkeit veräußern müssen.
Doch je mehr Liquidität die Notenbanken zur Unterstützung der Banken
in das Finanzsystem pumpen, desto größer ist die Gefahr, dass die
gerade etwas abflauende Inflation wieder steigt.
Daher lautet die Gretchenfrage: Wie reagieren die Notenbanken in
Anbetracht der immer noch hohen Inflation auf die Bankenprobleme,
und was bedeutet das für die Märkte?
Portfoliomanager Olgerd Eichler von Mainfirst zeigte sich in
Mannheim optimistisch: "Die Finanzmarktstabilität wird von der Fed
sehr hoch gehalten und im Zweifel der Inflationsbekämpfung
vorgezogen." Mit dieser Zuversicht im Rücken könnte der Dax deutlich
zulegen und Ende des Jahres bei mindestens 16 300 Punkte stehen. Das
wäre dann ein Rekordhoch.
Auch der Markt, also die Mehrheit der Investoren, rechnet aktuell
damit, dass die Fed die Leitzinsen in diesem Jahr zur Entspannung
der Lage senken könnte - eventuell sogar in mehreren Schritten.
Viele Analysten und Volkswirte gehen derzeit aber noch davon aus,
dass die Leitzinsen - wie von der US-Notenbank kommuniziert - erst
einmal auf hohem Niveau verharren dürften, um der Inflation weiter
die Stirn zu bieten.
Damit wiederum steigt die Rezessionsgefahr, denn es steht zu
befürchten, dass in diesem Fall die Kreditausfälle deutlich
zunehmen, Firmen weniger investieren und Privatleute lieber sparen
werden, als Geld auszugeben oder sich gar zu verschulden, um mehr
konsumieren zu können. Fidelity-Experte Roemheld traut den
europäischen Börsen damit auf absehbare Zeit keine großen Sprünge
zu.
Und selbst wenn die tonangebende Fed die Leitzinsen noch in diesem
Jahr leicht senken sollte, sorgen Verzögerungseffekte nach
Auffassung des DJE-Fachmanns Ehrhardt erfahrungsgemäß dafür, dass
geldpolitische Lockerungen erst mit beträchtlichem zeitlichen
Abstand positiv auf das Wachstum und damit auf die Börsen
durchschlagen.
Bis dahin sollten die negativen Auswirkungen der Zinswende laut
Ehrhardt die wirtschaftlichen Aktivitäten noch dämpfen, sodass der
Dax im Jahresverlauf auf seinen im Herbst 2022 erreichten
Tiefststand bei knapp 12 000 Punkten zurückfallen könnte.
Anlagestratege Ulrich Urbahn von der Privatbank Berenberg
prognostizierte zumindest eine zähe Phase am Aktienmarkt, die sich
bis in den Herbst erstrecken könnte. Denn "die relative
Attraktivität von Anleihen gegenüber Aktien hat mit den gestiegenen
Zinsen zugenommen" - und dürfte vor allem Pensionskassen und
Versicherungen dazu animieren, Aktien zu reduzieren und Anleihen
aufzustocken. Von daher dürfte das Aufwärtspotenzial von Aktien
vorerst klar begrenzt sein. Erst die traditionelle Jahresendrally an
den Börsen könnte den Dax dann bis auf 16 200 Punkte
hieven./la/jkr/mis
--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---
ISIN DE0008469008
AXC0004 2023-04-01/09:05
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Autor: - dpa-AFX
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