WDH/ROUNDUP 2/Expertenrat: Verkehr hinkt beim Klimaschutz deutlich hinterher |
15.04.2024 12:15:00 |
(Letzter Absatz wegen Dopplung gestrichen, Details zu Klimazielen im
6. Absatz ergänzt)
BERLIN (dpa-AFX) - Der Verkehrsbereich hat nach Angaben des
unabhängigen Expertenrats für Klimafragen auch 2023 deutlich mehr
Abgase verursacht als gesetzlich erlaubt. Statt der erlaubten 133
Millionen Tonnen CO2 seien im Verkehr im vergangenen Jahr 146
Millionen Tonnen Treibhausgase entstanden, schreiben die Fachleute
in ihrem am Montag in Berlin veröffentlichten Prüfbericht zu im März
vorgestellten Daten des Umweltbundesamts (UBA). Damit verfehlt der
Verkehrssektor sein Klimaziel das dritte Jahr in Folge.
Auch der Gebäudesektor hat sein Ziel nach UBA-Berechnungen knapp
verpasst, was der Expertenrat angesichts großer Unsicherheit bei den
berechneten Daten aber weder bestätigen noch verwerfen möchte.
Dennoch müsse auch hier nun das gesetzlich vorgeschriebene
Sofortprogramm zum Nachsteuern vorgelegt werden, so die Fachleute.
Dafür haben die zuständigen Minister drei Monate Zeit.
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat Wochenend-Fahrverbote
angedroht - anders sei das Verkehrsziel nicht zu schaffen. Er will
damit Druck machen für eine zügige Reform des Klimaschutzgesetzes,
die diese Pflicht abschaffen soll. Das Bundeskabinett hat sie
bereits verabschiedet, eine Einigung im Bundestag steht aber noch
aus.
Bei der Debatte um Fahrverbote gehe es gar nicht um die Wirkung
einzelner Maßnahmen, sondern um die umstrittene Reform, sagte die
stellvertretende Vorsitzende des Expertenrats, Brigitte Knopf. "Es
wird ja gar nicht ernsthaft über die Maßnahmen gestritten. Also, das
wäre eigentlich wichtig, dass man guckt: Welche Maßnahmen braucht es
jetzt." So könne man auch steuerliche Regelungen etwa zu Dienstwagen
ändern oder den CO2-Preis früher erhöhen, der Heizen und Tanken
teurer macht.
Trotz Unsicherheiten bestätigt auch der Expertenrat den starken
Rückgang der Emissionen im vergangenen Jahr von rund 10 Prozent
gegenüber 2022. Der Ausstoß ist von 750 auf 674 Millionen Tonnen
CO2-Äquivalente gesunken. Zur besseren Vergleichbarkeit werden
andere Treibhausgase in CO2 umgerechnet.
Dies sei der höchste prozentuale Rückgang binnen eines Jahres seit
1990. Wie schon das UBA und Bundesklimaschutzminister Robert Habeck
(Grüne) führt aber auch der Expertenrat das nicht auf wirksame
Klimaschutzpolitik, sondern die schwächelnde Wirtschaft und das
Wetter zurück. "Ohne den Rückgang der energieintensiven Industrie
und die erneut milde Witterung im Jahr 2023 hätten die Emissionen
deutlich höher gelegen", sagte der Vorsitzende des Rates,
Hans-Martin Henning. Unter anderen Bedingungen wäre das
Jahres-Gesamtziel wohl nicht erreicht worden. Mit den steigenden
Temperaturen könne es aber sein, dass auf Dauer weniger geheizt
werden müsse.
Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, seinen Ausstoß an
Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu
senken. Hier ist Deutschland nach Einschätzung des Umweltbundesamts
auf Kurs, die Berechnungen dazu hat der Expertenrat aber nicht
bewertet. Der Rat wies aber darauf hin, dass Deutschland daneben
auch seine europäischen Klimaziele schaffen muss. Bis 2045 will
Deutschland klimaneutral sein, also nicht mehr Treibhausgase
ausstoßen, als wieder gespeichert werden können.
Die umstrittenen Sofortprogramme
Wenn einzelne Bereiche Vorgaben verfehlen, müssen die zuständigen
Ministerien der Bundesregierung mit Sofortprogrammen nachlegen. Die
jährlich zulässigen Jahresemissionsmengen für die Sektoren wie
Industrie, Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude stehen im
Klimaschutzgesetz. Die bisher beschlossenen Maßnahmen reichten nicht
aus, betonte der Expertenrat.
Die genauen Klimaziele für einzelne Wirtschaftsbereiche sind der FDP
ein Dorn im Auge. Im Grundsatz hat sich die Koalition aus SPD,
Grünen und FDP eigentlich auch bereits auf eine Reform geeinigt:
Demnach soll es künftig vor allem darauf ankommen, ob
Treibhausgas-Sparziele über alle Bereiche hinweg insgesamt
eingehalten werden. Die Ampel-Fraktionen im Bundestag können sich
bislang jedoch nicht auf die Details einigen, die Grünen fürchten
eine Aufweichung.
Fehlt Geld für den Klimaschutz?
Wenn schon die im vergangenen Sommer vorgelegten Klima-Pläne nicht
reichten, dann hat sich die Lage seither noch verschlechtert, merken
die Experten an. Denn nachdem das Bundesverfassungsgericht im
November ein Milliardenloch in die Finanzplanungen des Bundes
gerissen hatte. Die danach in der Regierung ausgehandelten Kürzungen
betreffen auch den Klima- und Transformationsfond (KTF), einen
wichtigen Topf zur Förderung des klimafreundlichen Umbaus der
deutschen Industrie.
"Das KTF-Urteil resultiert in Mittelkürzungen in diesem Jahr und
engt den Spielraum für die folgenden Jahre ein. Da fast die Hälfte
der Maßnahmen des Klimaschutzprogramms fiskalischer Natur sind,
verringert dies die Wahrscheinlichkeit, dass die angenommene
Minderungswirkung tatsächlich eintritt", erklärte Knopf zum
erwarteten Treibhausgas-Ausstoß. Zudem werde das Klimaschutzprogramm
im Gebäudesektor "weniger ambitioniert" umgesetzt, so die Fachleute.
"Auch im Verkehrssektor ist bei einigen Maßnahmen eine verminderte
Wirkung zu erwarten, zudem ist eine Zunahme des Pkw-Verkehrs zu
beobachten."
Der Expertenrat ist ein Wissenschaftler-Gremium. Zu seinen Aufgaben
laut Bundesklimaschutzgesetz gehört die jährliche Prüfung der
vorläufigen Daten des Umweltbundesamts zum Treibhausgas-Ausstoß des
Vorjahres. Endgültige Daten wird es aber erst im kommenden Jahr
geben./hrz/DP/mis
ISIN DE0005190003 DE0007100000 DE0007664039 US88160R1014 DE000TRAT0N7
AXC0126 2024-04-15/12:15
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Autor: - dpa-AFX
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