ROUNDUP 2: Kretinsky-Firma steigt in Thyssenkrupp-Stahlsparte ein - Kurssprung |
26.04.2024 14:36:00 |
(neu: Kurs, Details und mehr Hintergrund)
ESSEN (dpa-AFX) - Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp
Steel bekommt ein Energieunternehmen als Miteigentümer. Der
tschechische Milliardär Daniel Kretinsky übernimmt mit seiner
Holding EPCG zunächst 20 Prozent der schwächelnden Stahlsparte des
Industriekonzerns Thyssenkrupp . Über die Übernahme
von weiteren 30 Prozent am Stahlgeschäft wird verhandelt. Ziel sei
weiterhin die Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens, an dem beide
Partner je 50 Prozent halten, teilte Thyssenkrupp am Freitag in
Essen mit. Finanzielle Details blieb der Konzern schuldig.
Arbeitnehmervertreter äußerten sich kritisch und forderten die
Einhaltung von Tarifverträgen.
Am Finanzmarkt starteten die Aktien nach der sich abzeichnenden
Lösung eine Erholungsrally, zwischenzeit lag der Kurs zweistellig im
Plus. Am frühen Nachmittag zogen die Titel im freundlichen MDax
noch um acht Prozent auf 4,81 Euro an. Damit machten
sie zudem die Hälfte des Verlusts wieder wett, den sie im Zuge des
Abwärtstrends der vergangenen zwei Wochen erlitten hatten. Seit
Jahresbeginn steht bei Thyssenkrupp aber immer noch ein Minus von
gut 23 Prozent zu Buche, womit die Aktien zu den größten Verlierern
im Index der mittelgroßen deutschen Börsenunternehmen gehören.
Analyst Moses Ola von der US-Bank JPMorgan sprach von einem ersten
Schritt für das angestrebte gleichberechtigte Joint Venture. Die
damit verbundene, vollständige unternehmerische Eigenständigkeit des
Bereichs wäre der beste Weg für Thyssenkrupp, dessen Wert zu heben,
die eigene Bilanz zu stärken und den Abfluss von Barmitteln zu
stoppen. Da Thyssenkrupp Steel Europe bis dahin voll in der Bilanz
konsolidiert werde, rechne er aktuell aber nicht mit Veränderungen
bei den Konsensschätzungen.
Es blieben noch viele Fragen unbeantwortet, und der weitere Weg
werde nicht einfach, bemerkte Experte Christian Obst von der Baader
Bank. Sollten nach den massiven Abschreibungen im Schlussquartal
2023 nun keine neuen dazukommen, dürfte der Konzern von Kretinsky
350 bis 400 Millionen Euro für die Veräußerung des
20-Prozent-Anteils erhalten. Indes steige jetzt der Druck, zusammen
mit dem neuen Partner eine langfristige Strategie zu definieren.
"Gemeinsam wollen wir ein leistungsstarkes, profitables und
zukunftsorientiertes Stahlunternehmen schaffen", sagte
Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López. Das Unternehmen werde die
Kosten der Dekarbonisierung auf ein wettbewerbsfähigeres Niveau
senken und so die grüne Transformation der Stahlindustrie auf dem
Weg zur CO2-Neutralität beschleunigen. "Ein starker Energiepartner
wie die EP Corporate Group ist dafür essenziell." Kretinsky betonte:
"EPCG (...) ist finanziell stark aufgestellt, wächst und ist ein
zuverlässiger Anbieter von Energie und Dienstleistungen für unsere
Kunden." Gemeinsam werde man einen wichtigen Beitrag bei der
Dekarbonisierung der Stahlindustrie leisten.
Thyssenkrupp verwies auf den stark steigenden Energiebedarf bei der
Umstellung auf klimafreundlichere Herstellungsverfahren. EPCG soll
laut der Mitteilung als strategischer Partner seine Kompetenzen
einbringen, um eine ausreichende Versorgung mit Energie in Form von
Wasserstoff, Grünstrom sowie der Bereitstellung von anderen
Energierohstoffen zu gewährleisten. Das in neun europäischen Märkten
aktive Unternehmen bringe als Energiehändler, -versorger und
-lieferant umfangreiche Branchenkenntnisse mit. Thyssenkrupp hatte
die Verhandlungen mit Kretinsky über dessen Einstieg ins
Stahlgeschäft Ende November öffentlich gemacht.
Die Übernahme des Anteils soll noch im laufenden Geschäftsjahr
2023/24 erfolgen, das am 30. September endet. Behörden und
Aufsichtsrat von Thyssenkrupp müssen noch zustimmen. Auf die
bestehenden Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge habe die
Transaktion keinen Einfluss, betonte das Unternehmen.
Generell blieb Thyssenkrupp weitere Details zu der Transaktion
schuldig. Wie das "Handelsblatt" am Freitag berichtete, sehen die
Konditionen vor, dass Kretinsky nach einem halben Jahr wieder aus
dem Deal aussteigen könne, sollte er mit dem weiteren Verlauf des
Konzerns unzufrieden sein - und zwar zum gleichen Preis. Dafür
müssten bestimmte Kriterien zutreffen. Der Kaufpreis für die 20
Prozent liege im niedrigen dreistelligen Millionenbereich, heiße es
von mit dem Vorgang vertrauten Personen - und somit unter dem
Buchwert, schreibt das Blatt. Zum Kaufpreis wollte sich López in
einer Telefonkonferenz nicht äußern, zum Thema Ausstiegsklausel
sagte er nur, dass es "Regelungen" gebe.
Im vergangenen Geschäftsjahr musste Thyssenkrupp Milliarden auf das
Stahlgeschäft abschreiben, das unter einer schwachen Nachfrage sowie
gesunkenen Preisen, gepaart mit höheren Kosten leidet. Thyssenkrupp
hatte vor Kurzem den Abbau von Kapazitäten am Standort Duisburg
angekündigt, der auch zu einem weiteren Stellenabbau führen wird. In
der Sparte des Thyssenkrupp-Konzerns arbeiten rund 27 000 Menschen,
davon 13 000 in Duisburg. Fast alle Standorte liegen in
Nordrhein-Westfalen.
Arbeitnehmervertreter von Thyssenkrupp äußerten sich kritisch zum
geplanten Einstieg. Die Nachricht komme überraschend, sagte der
stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Mutterkonzerns
Thyssenkrupp, Jürgen Kerner, laut einer Mitteilung. "Die
Mitbestimmung hat nur wenige Stunden vor der Öffentlichkeit von der
Entscheidung erfahren. Das ist kein guter Stil und kein guter
Start." Kerner ist auch stellvertretender IG-Metall-Vorsitzender.
Die Arbeitnehmerseite habe sich nie prinzipiell gegen einen Investor
ausgesprochen. "Aber wir erwarten Beteiligung der Mitbestimmung auf
Augenhöhe und verbindliche Zusagen", forderte Kerner. Nötig sei
jetzt ein tragfähiges Zukunftskonzept für den weiteren Umbau
Richtung grünen Stahl./nas/tob/DP/jha/
ISIN DE0007500001
AXC0217 2024-04-26/14:36
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Autor: - dpa-AFX
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