ROUNDUP/Rauchfrei, aber nicht tabakfrei: Zigarettenkonzerne setzen auf Sticks |
13.09.2023 06:00:00 |
DORTMUND (dpa-AFX) - Die Tabakbranche setzt immer stärker auf
Alternativprodukte zu klassischen Zigaretten, um auch künftig
profitable Geschäfte zu machen. Tabakerhitzer, in die Sticks
geschoben werden, spielen hierbei eine große Rolle: Nachdem Philip
Morris und British American Tobacco (BAT)
solche Produkte schon vor einigen Jahren auf den
Markt gebracht haben, will Japan Tobacco International (JTI)
im Jahr 2024 als dritter internationaler Konzern
einen Tabakerhitzer auf den deutschen Markt bringen. Die drei
Branchenriesen haben hohe Erwartungen an den künftigen Absatz.
Gesundheitsexperten sehen die Entwicklung jedoch mit Sorgenfalten.
Bei der Dortmunder Messe Intertabac, die am Donnerstag beginnt und
als der weltgrößte Branchentreff gilt, werden die Tabakerhitzer bis
zum Messeschluss am Samstag wieder umfassend beworben werden. Die
Branchengrößen haben jahrzehntelang gut verdient mit klassischen
Kippen, ob "Marlboro" (Philip Morris ), "Dunhill" (BAT) oder
"Winston" (JTI). Doch der Zigarettenabsatz geht seit Jahren zurück.
Die nicht brennbaren Produkte sind für die Konzerne nun eine
Möglichkeit, das angeschlagene Tabakwaren-Geschäftsmodell in die
Zukunft zu retten.
Dafür wurde viel Geld investiert. Allein Philip Morris hat seit 2008
nach eigenen Angaben 10,5 Milliarden US-Dollar (9,8 Milliarden Euro)
in die Forschung und Entwicklung sogenannter schadstoffreduzierter
Produkte ausgegeben, zu denen Tabakerhitzer der Marke Iqos gehören.
BAT gibt für "Produkte mit reduziertem Risiko", wie die Firma sie
nennt, jährlich rund 350 Millionen Pfund (407 Millionen Euro) aus,
hierbei sind auch E-Zigaretten und Nikotinbeutel, die man unter die
Oberlippe schiebt, inbegriffen.
Die Tabakerhitzer-Marke von BAT heißt glo, die von JTI Ploom. Bei
diesen Produkten wird Tabak nur heiß gemacht und nicht verbrannt.
Dadurch werden weniger Schadstoffe freigesetzt. Schlecht für die
Gesundheit ist es dennoch. Wie groß der Schaden genau ist, ist
mangels Langzeitstudien noch unklar. "Tabakerhitzer sind abhängig
machende Lifestyle-Produkte mit Gesundheitsrisiko", warnt Katrin
Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum. "Das Aerosol der
Tabakerhitzer enthält schädliche Substanzen, die beim Gebrauch tief
in die Lunge inhaliert werden."
Der Suchtforscher Daniel Kotz von der Heinrich-Heine-Universität
Düsseldorf sieht die Produkte ebenfalls mit Sorgen. "Tabakerhitzer
enthalten Tabak wie herkömmliche Zigaretten auch", sagt er. Es
bestehe die Möglichkeit, dass die Konsumentinnen und Konsumenten
langfristig die erhitzten Sticks nutzten und dadurch ihre Gesundheit
aufs Spiel setzten. "Es gibt erwiesenermaßen effektive und sichere
Methoden, um mit dem Tabakrauchen aufzuhören, beispielsweise durch
den Einsatz von Nikotinersatzprodukten wie Kaugummis und Sprays."
Die Gefahren leugnet auch die Tabakindustrie nicht. "Diese Produkte
machen abhängig und sind nicht risikofrei", heißt es von BAT in
einer Fußnote. Beide Firmen betonen, dass sie sich nur an Raucher
wenden, für denen der Umstieg auf die Tabakerhitzer eine bessere
Alternative wäre. Um auf die Iqos-Webseite zu kommen, ist eine
Bestätigung nötig, dass man volljährig ist und Nikotin- oder
Tabakprodukte nutzt. Als Nichtraucher kommt man eigentlich nicht
weiter. Eine echte Barriere ist das aber nicht. Denn wenn man etwas
schummelt und angibt, Raucher zu sein, kommt man doch auf die
Werbeseite in Hochglanz-Optik.
Das Geschäft mit den Tabakerhitzern und ihren Sticks ist zwar noch
eine Nische, diese aber wird immer größer. Ihr Anteil am
Tabak-Gesamtmarkt liege in Deutschland bei etwa vier Prozent und
damit ein Prozentpunkt höher als 2021, sagt Jan Mücke,
Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und
neuartigen Erzeugnisse (BVTE). "Jedes Jahr wächst der Markt um circa
einen halben Prozentpunkt - das Wachstum wird sich fortsetzen."
Der Branchenvertreter bewertet die Produkte als wichtiges Angebot an
die Raucher, wenn diese aufhören wollen mit dem Rauchen. "Viele
Menschen wollen nun mal Nikotin aufnehmen und Tabak schmecken - da
ist es doch gut, wenn sie das mit risikoreduzierten Produkten
machen." Die "Nikotinanflutung" sei ähnlich wie bei einer Zigarette,
sagt Mücke. Der Umstieg auf Tabakerhitzer falle intensiven Rauchern
daher leichter.
Mücke war früher für die FDP im Bundestag und Staatssekretär im
Bundesverkehrsministerium. Er ist nicht der einzige Ex-Politiker,
der in Berlin die Werbetrommel für die Tabakbranche rührt: Kürzlich
verpflichtete Philip Morris den früheren Ministerpräsidenten von
Schleswig-Holstein, Torsten Albig (SPD), als obersten Lobbyisten für
Deutschland. "Wir haben uns als Unternehmen das Ziel einer
rauchfreien Zukunft gesetzt, in der die Zigarette durch
schadstoffreduzierte Produkte ersetzt werden soll", sagt Albig. "Wer
raucht, sollte so schnell wie möglich damit aufhören - und wer nicht
aufhört, sollte auf schadstoffreduzierte Alternativprodukte
umsteigen."
Die "Smoke-Free-Products" von Philip Morris, zu denen in anderen
Staaten auch E-Zigaretten und Nikotinbeutel gehören, machten zuletzt
gut ein Drittel des Konzernumsatzes aus, 2025 soll dieser Anteil bei
50 Prozent liegen. Derzeit nutzten 27,2 Millionen Menschen weltweit
Iqos, 2025 sollen es 40 Millionen sein. BAT will die Zahl der Nutzer
von nicht brennbaren Produkten des Konzerns von weltweit 24
Millionen Ende 2022 auf 50 Millionen im Jahr 2030 hochschrauben.
Bisher ist es ein Verlustgeschäft, aber 2024 will man hierbei aber
rentabel sein, also Gewinne machen. Das wäre ein Jahr früher als
geplant, sagt eine BAT-Sprecherin. Philip Morris lässt die Frage
unbeantwortet, ob das Iqos-Geschäft noch in den roten Zahlen
ist./wdw/DP/zb
ISIN US7181721090 GB0002875804
AXC0031 2023-09-13/06:00
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Autor: - dpa-AFX
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