ROUNDUP: Es wird weniger geraucht in Deutschland |
26.01.2024 14:28:00 |
WIESBADEN (dpa-AFX) - Der Trend weg von der Zigarette hat sich im
vergangenen Jahr fortgesetzt. Wie das Statistische Bundesamt am
Freitag in Wiesbaden mitteilte, sank die Menge der versteuerten
Zigaretten im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 Prozent auf 64,0
Milliarden Stück. 2022 hatte das Minus sogar 8,3 Prozent betragen,
der Rückgang hat sich also abgeschwächt. Im langfristigen Vergleich
zu 1991 ging der Zigarettenabsatz um mehr als die Hälfte zurück.
Hinzu kommen noch Zigaretten, die nicht in Deutschland versteuert
wurden - entweder werden sie legal aus dem Ausland mitgebracht oder
auf dem Schwarzmarkt gekauft. Nach Schätzung der Tabakbranche, die
sich dabei auf Stichproben aus dem Müll bezieht, wird etwa jede
fünfte in Deutschland gerauchte Kippe nicht hierzulande versteuert.
Dieser Anteil ist zuletzt in etwa gleich geblieben.
Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Tabakwirtschaft und
neuartiger Erzeugnisse (BVTE), Jan Mücke, begründet das Minus beim
Zigarettenverkauf mit einem stärkeren Gesundheitsbewusstsein der
Menschen und mit der Verfügbarkeit von Alternativen. Dabei bezieht
er sich unter anderem auf Tabakerhitzer, in denen der Tabak nur heiß
gemacht, aber nicht verbrannt wird. Dadurch werden weniger
Schadstoffe freigesetzt.
Aus Sicht von Mücke sind solche Produkte ein positives Angebot an
Raucher, um wegzukommen von der Zigarette. "Der Staat sollte den
Verkauf solcher Alternativen unterstützen, anstatt ihnen den
Markteintritt zu erschweren", sagt Mücke. Dass die Tabakerhitzer
nicht mehr auf Plakaten in den Straßen beworben werden dürfen, sei
nicht nachvollziehbar, moniert der Branchenvertreter.
Internationale Konzerne dominieren deutschen Tabakmarkt
Der deutsche Tabakmarkt ist dominiert von Marken internationaler
Konzerne, etwa Marlboro von Philip Morris
International (PMI), Nil von Japan Tobacco International (JTI) und
Lucky Strike von British American Tobacco (BAT). Angesichts der
sinkenden Nachfrage nach den krebserzeugenden Zigaretten satteln
diese Firmen allmählich um und investieren Milliarden in
Alternativprodukte, also Tabakerhitzer, E-Zigaretten und weitere
Produkte.
Auf dieses Marktsegment setzen die Konzerne große Hoffnungen. Ihnen
ist bewusst, dass die jahrzehntelang hochlukrativen Geschäfte mit
den klassischen Kippen künftig immer schwieriger werden. Schließlich
steuert der Gesetzgeber mit einer strengeren Regulierung inklusive
weitreichender Werbeverbote und höheren Steuersätzen dagegen.
Philip Morris bietet die Tabakerhitzer-Geräte der Marke "Iqos" an,
BAT "Glo". JTI steht hierzulande mit "Ploom" in den Startlöchern.
Nach Schätzung vom BVTE machen die Sticks inzwischen etwa vier
Prozent des deutschen Tabakmarktes aus, nach drei Prozent 2022.
Das Geschäft zieht an. Philip Morris verzeichnete im dritten Quartel
2023 nach eigenen Angaben in Deutschland ein Absatzplus von 19,2
Prozent mit Tabakerhitzer-Sticks. Man werde "das Segment der
schadstoffreduzierten Alternativen" weiter ausbauen, sagt der
deutsche PMI-Cheflobbyist und frühere SPD-Politiker Torsten Albig.
Bis 2030 wolle Philipp Morris International "ein weitgehend
rauchfreies Unternehmen" sein und mehr als zwei Drittel der
Nettoeinnahmen aus rauchfreien Produkten erzielen.
Noch machen die klassischen Kippen den Löwenanteil des
Tabakgeschäfts von Philip Morris aus, im dritten Quartal 2023 lag
dieser global betrachtet bei 83,2 Prozent. Die Tabakerhitzer kamen
auf 16,8 Prozent und damit 2,3 Prozentpunkte mehr als ein Jahr
zuvor. Das Beispiel Philip Morris macht deutlich: Alternativprodukte
zu Glimmstängeln werden immer wichtiger für die Konzerne.
Eine weitere Alternative zu Kippen sind E-Zigaretten, bei denen
aromatisierte und häufig mit Nikotin versetzte Flüssigkeiten
(Liquids) verdampft werden. In diesem Marktsegment sind
Mittelständler stark vertreten, aber auch die Großkonzerne mischen
mit. 1,2 Millionen Liter solcher Tabak-Substitute wurden im
vergangenen Jahr in Deutschland versteuert.
Krebsforscher sehen E-Zigaretten und Tabakerhitzern skeptisch
Es wird also weniger geraucht und mehr inhaliert in Deutschland.
Eine gute Nachricht für die Gesundheit? Krebsforscher schütteln den
Kopf. So verweist Katrin Schaller vom Deutschen
Krebsforschungszentrum (DKFZ) auf eine Studie der Düsseldorfer
Heinrich-Heine-Universität, der zufolge der Raucheranteil der
Ab-14-Jährigen bei einem Drittel (33,9 Prozent) liegt. Ein viel zu
hoher Wert, sagt Schaller. "Der Tabakrauch ist ein Giftcocktail, der
etwa 90 Substanzen enthält, die krebserzeugend sind oder im Verdacht
stehen, krebserzeugend zu sein."
Der Staat müsse entschlossener vorgehen, um das Rauchen
einzuschränken. "Die Tabakprävention ist zu schwach in Deutschland."
Die Tabaksteuer sollte stark erhöht werden, um vor allem junge
Menschen finanziell abzuschrecken. Werbung sollte komplett verboten
werden, also auch in Verkaufsräumen, etwa Tankstellen, und Kippen
sollten nur noch in optisch langweiligen Einheitspackungen verkauft
werden. "Den Raucherinnen und Rauchern soll nicht das Rauchen
verboten werden, aber das todbringende Produkt sollte möglichst
unattraktiv gemacht werden."
Die steigende Nachfrage nach Alternativprodukten wie E-Zigaretten
und Tabakerhitzern sieht Schaller skeptisch. In deren Aerosolen
seien zwar weniger Schadstoffe enthalten als in Tabakzigaretten.
"Aber mangels Langzeitstudien ist es unklar, welche Schäden und in
welchem Ausmaß zu erwarten sind." Dass auch diese Produkte schlecht
seien für die Gesundheit, sei klar: "Am besten ganz aufhören mit dem
Rauchen und nicht umsteigen auf andere, ebenfalls schädliche
Produkte."/wdw/mar/DP/men
ISIN US7181721090 GB0002875804 US02209S1033
AXC0169 2024-01-26/14:28
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Autor: - dpa-AFX
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