ROUNDUP: Widerstand gegen chinesische Billig-Marktplätze wird größer |
08.02.2024 06:35:00 |
BERLIN (dpa-AFX) - Handelsexperten und Verbände fordern ein
strikteres Vorgehen gegenüber chinesischen Billig-Marktplätzen wie
Temu. "Weder der europäische noch der deutsche Gesetzgeber sind in
der Lage, ihre Verordnungen und Gesetze gegenüber chinesischen
Unternehmen vollständig durchzusetzen", sagte der
Vize-Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE),
Stephan Tromp, der Deutschen Presse-Agentur. Dadurch entstünden
Wettbewerbsverzerrungen.
Das gilt dem Handelsverband zufolge etwa auch für das deutsche
Lieferkettengesetz. Die Regelung soll die Einhaltung von
Menschenrechten bei Zulieferern garantieren und gilt seit Januar
auch für Firmen mit mindestens 1000 Beschäftigten im Inland. "Die
zuständige Bundesbehörde macht mitnichten aber auch nur einen Finger
krumm, um die Vorgaben bei chinesischen Unternehmen - die ebenfalls
an den Endkunden verkaufen und damit im direkten Wettbewerb zu
deutschen Händlern stehen - durchzusetzen", sagte Tromp.
Handelsexperte: Gleiche Regeln für alle sind eine Frage der Fairness
Kai Hudetz vom Institut für Handelsforschung (IFH) hält eine
stärkere staatliche Regulierung ebenfalls für notwendig. "Es ist
kein fairer Wettbewerb, wir brauchen mehr Transparenz. Die Politik
muss aktiv werden und insbesondere Kennzeichnungspflichten
durchsetzen", sagte der IFH-Geschäftsführer. Für Anbieter aus
Fernost müssten dieselben Regeln und Standards wie für europäische
Anbieter gelten. Das sei eine Frage der Fairness. Zugleich sieht er
die Verbraucher in der Pflicht. "Bei den Preisen kann sich jeder
ausrechnen, wie nachhaltig die Produkte hergestellt und
transportiert worden sind und wie gut die Qualität sein kann."
Auch der E-Commerce Verband bevh fordert eine härtere Gangart. "Wenn
sich Unternehmen unfair am Markt verhalten, dann muss das
unterbunden werden", sagte der stellvertretende
bevh-Hauptgeschäftsführer Martin Groß-Albenhausen. Es gebe strenge
Vorgaben etwa zur Produktsicherheit. Die Frage sei, warum diese
Regeln nicht durchgesetzt werden könnten.
Handelsverband fordert ertüchtigten Zoll und mehr Marktüberwachung
Die Flut an Paketen aus China ist laut HDE ein europaweites Problem,
für das es eine europäische Lösung geben muss. Viele Pakete kämen
zum Beispiel im Logistikzentrum des Brüsseler Flughafens an. "Und
wenn die Produkte erst mal in Europa sind, dann haben sie mehr oder
weniger freie Bahn. Wir müssen unseren Binnenmarkt schützen", sagte
Tromp. "Wenn ein Markt mit unsicheren Produkten überschwemmt wird,
ist Gefahr im Verzug."
Handelsplattformen wie Temu müssten daher aber nicht verbannt
werden. "Wenn sich alle an die gleichen Regeln halten müssen, findet
Wettbewerb zum Wohle des Verbrauchers statt. Dann siegt die bessere
Lösung", sagte Tromp. Aber wenn es sich solche Plattformen leichter
machen könne, weil Politik und Behörden sie nicht so stark
kontrollieren, sei das unfair.
Der HDE fordert daher eine Stärkung des Zolls, der etwa für die
Paketabfertigung zuständig ist. "Der Zoll es mit der schieren Masse
schlicht überfordert", sagte Tromp, der auch Experte für
Digitalisierung beim HDE ist. Ein Ansatzpunkt könnte eine digitale
Plattform sein, auf der jede Sendung angemeldet werden müsse. Pakete
von Händlern, die sich nicht an die Regeln hielten, könnten so
einfacher und schneller aussortiert werden. Außerdem müsse die
Marktüberwachung im großen Stil tätig werden: "Diese ziehen aktuell
so gut wie keine Proben oder versuchen, chinesische Händler auf
solchen Plattformen zu belangen."
Umfrage: Jeder Vierte hat bereits bei Temu eingekauft
Temu sorgte zuletzt mit Minipreisen, Rabattangeboten von bis zu 90
Prozent und teils skurrilen Produkten für Aufsehen. So hat sich die
chinesische Plattform erstaunlich schnell auf dem deutschen Markt
etabliert. Jeder Vierte zwischen 16 und 65 hat in den letzten sechs
Jahren dort gekauft, wie eine Umfrage des
Marktforschungsunternehmens Appinio zeigt. In der Rangliste liegt
Temu damit auf dem vierten Rang, knapp hinter Otto. Im Ranking der
2023 meist heruntergeladenen Shopping-Apps in Deutschland belegt
Temu laut der Webanalyse-Firma Similarweb sogar den ersten Platz.
Das Unternehmen tritt selbst nicht als Verkäufer auf, sondern stellt
den Händlern nur seinen Marktplatz als Plattform zur Verfügung.
Hinter Temu steht das Unternehmen PDD Holdings. PDD ist in China
bekannt für die App Pinduoduo, eine der am schnellsten wachsenden
E-Commerce-Plattformen des Landes. Seit 2022 expandiert PDD auch
gezielt im Ausland.
Handelsexperte: Temu investiert unglaubliches Geld in
Online-Marketing
Handelsexperte Hudetz hat dafür eine Erklärung. "Temu ist weltweit
der größte Kunde von Google . Die pumpen unglaubliches
Geld in Online-Marketing", sagte er. Das sei aktuell ein unrentables
Geschäft - zumal überwiegend billige, margenschwache Produkte
verkauft würden. Aber ob die chinesische Plattform langfristig
Erfolg haben kann? "Wir dürfen die Beharrlichkeit von Temu nicht
unterschätzen. Die haben tiefe Taschen und sind in der Lage,
langfristig in den Markt zu investieren", sagt Hudetz. Viele
Konsumenten sind aber skeptisch, was Online-Anbieter wie Temu
betrifft. In einer IFH-Umfrage erwarten 64 Prozent nicht, dass
Marktplätze mit Waren aus Asien die Etablierten wie Amazon
oder Ebay verdrängen können.
Bemerkenswert ist der Erfolg von Temu in anderer Hinsicht.
Online-Shopping ist im Alltag der Deutschen zwar fest verankert.
Doch zuletzt lief es für die Branche nicht gut. Der Brutto-Umsatz im
deutschen E-Commerce fiel nach Angaben des Branchenverbandes 2023 um
11,8 Prozent. Online-Händler blieben sogar 14,7 Prozent unter dem
Vorjahresergebnis.
Verbraucherzentrale warnt vor Shopping-Apps - und gibt Tipps
Die Verbraucherzentrale warnt im Umgang mit Temu, auf ihrer Webseite
hat sie Tipps veröffentlicht. Konsumenten sollten sich vor dem Kauf
über die geltenden Zollbestimmungen informieren, wenn sie bei
Händlern außerhalb der EU bestellen. "Sonst können zusätzliche
Steuern und Zollgebühren auf Sie zukommen", hieß es. Bezahlen
sollten Kunden, wenn Sie die Ware erhalten haben und zufrieden sind
- nicht in Vorkasse.
Bei Elektrogeräten wird empfohlen, auf zugelassene CE-Zeichen zu
achten. Die Experten verweisen auch auf die schlechten Erfahrungen,
über die viele Temu-Kunden berichteten. Häufig kritisiert werde den
Angaben nach die schlechte Produktqualität, nicht erhaltene
Sendungen und ein schlecht erreichbarer Kundenservice./jwe/DP/zb
ISIN US0231351067 US2786421030 US02079K1079
AXC0049 2024-02-08/06:35
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Autor: - dpa-AFX
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