Börse Frankfurt-News: "Positive Aussichten für Japan" (pfp Advisory) |
19.02.2024 12:05:00 |
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Christoph blickt
ziemlich optimistisch auf den japanischen Aktienmarkt, der seit 34
Jahren wieder in die Nähe seines alten Höchststands kommt.
19. Februar 2024. Die Chancen stehen gut, dass Aktienfans bald
Historisches erleben. Nein, ausnahmsweise geht es nicht um neue
Rekorde bei S&P 500, Nasdaq Composite oder DAX. Sondern um einen
Markt, der bereits seit 34 Jahren auf einen neuen Höchststand
wartet: Japan.
Denn der Nikkei, Japans Leitindex, hat mittlerweile die Marke von
38.000 Punkten überschritten und sich seinem alten Rekord bei 38.916
Punkten (auf Schlusskursbasis) auf Schlagdistanz angenähert. "Alt"
trifft es hier wirklich, datiert dieses Hoch doch aus dem Dezember
1989. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch die Sowjetunion und zwei
getrennte deutsche Staaten, und die Deutschen zahlten mit der D-Mark
bzw. der Mark der DDR.
In Europa und den USA grassierte zu dieser Zeit die Sorge, der
kapitalistische Westen könnte nach und nach von einem vermeintlich
überlegenen Wirtschaftsmodell aus dem fernen Osten überflügelt
werden (worin ich durchaus Parallelen zur übertriebenen China-Angst
heutiger Tage sehe). Widergespiegelt wird die damalige Ansicht, dass
japanischen Großkonzernen die Zukunft gehören würde, beispielsweise
auch in Nebenhandlungen von bekannten Hollywood-Filmen aus dieser
Zeit wie "Stirb langsam" (1988) oder "Zurück in die Zukunft 2"
(1989).
Heute, in der Rückschau, und anders als die Zeitgenossen, wissen
wir: Das alles war unbegründet, heiße Luft und Panikmache, und dazu
eine der größten Spekulationsblasen aller Zeiten. 1989/90 machten in
den Top Ten der weltweit am höchsten kapitalisierten
Aktiengesellschaften japanische Konzerne phasenweise mehr als die
Hälfte aus, allen voran japanische Banken. Alle börsennotierten
Unternehmen Nippons zusammen erreichten 40 Prozent der weltweiten
Marktkapitalisierung, womit sie zeitweise sogar den aggregierten
Börsenwert aller US-Firmen übertrafen (Verhältnis heute etwa 6
Prozent zu 58 Prozent). Auch der Immobilienmarkt war kolossal
aufgebläht. Es kursierten Schätzungen, nach denen auf dem Höhepunkt
der Bubble der Kaiserpalast samt Park in Tokio genauso viel wert war
wie alles Land in Kalifornien zusammen.
Diese Mega-Spekulationsblase platzte, als die Neunzigerjahre
anbrachen. Da die japanischen Banken viele Kredite ausgereicht
hatten, die durch überbewertete Immobilien abgesichert sein sollten,
entstand infolge fallender Immobilienpreise schnell eine
Abwärtsspirale, die den Immobilienmarkt und in der Folge auch den
Aktienmarkt implodieren ließ. In nur drei Jahren sackte der Nikkei
auf rund 15.000 Punkte bzw. um über 60 Prozent ab. Die berühmte
"verlorene Dekade" für Japan folgte. Ganz anders in den zuvor von
Japan-Fans und Crash-Propheten geschmähten Aktienmärkten Westeuropa
und USA: Diese setzten ihre 1982 gestartete Jahrhunderthausse in den
neunziger Jahren unbeirrt fort.
Es sollte fast ein weiteres Jahrzehnt vergehen, bis der japanische
Aktienmarkt endlich einen Boden fand. Erst im März 2009, während der
weltweiten Finanzkrise, erreichte der Nikkei mit gut 7.000 Punkten
sein Tief, fast 82 Prozent unter seinem Allzeithoch aus dem Jahr
1989. Nach einigen Jahren Seitwärtsbewegung begann etwa ab 2013 der
Wiederaufstieg, der zeitlich mit dem Beginn der "Abenomics"
genannten Wirtschaftspolitik des Premierministers Shinzo Abes
zusammenfällt.
Wahrscheinlich gibt es nur wenige Anleger, die dieses Ab und Auf
durch über drei Jahrzehnte wirklich erdulden mussten. (Für
Investorinnen aus dem Euro-Raum wären zudem noch Währungseffekte
einzukalkulieren, gerade wegen der Yen-Schwäche der vergangenen zwei
Jahre.) Ich finde den Wiederaufstieg des japanischen Aktienmarktes
indes noch aus einem anderen Grund interessant. Denn meine Erfahrung
ist, dass viele Anleger(innen) keineswegs gierig sind, sondern
risikoavers in dem Sinne, dass sie zuvorderst keinen Verlust
erleiden wollen. Gerade in meinem privaten Umfeld höre ich immer
wieder, dass eigentlich fast alles "erlaubt" sei, aber das Geld
"bitte nicht weniger werden soll".
An diesem Punkt argumentiere ich gerne mit historischen Renditen.
Denn es ist Fakt, dass in vielen entwickelten Märkten in der
Vergangenheit Anlagezeiträume von etwa 15 Jahren mit hoher
Wahrscheinlichkeit genügten, um mit einer Anlage in bekannten
Aktienindizes ins Plus zu kommen, selbst wenn Anleger(innen) zum
aller ungünstigsten Zeitpunkt investiert hätten. Beim DAX bzw.
seinem (von der Bundesbank) zurückberechneten Vorgängerindex wäre
die längste Dürreperiode von August 1960 bis März 1983 zu überstehen
gewesen, also etwa 22,5 Jahre. Meistens reichten aber wesentlich
kürzere Zeiträume für ein positives Anlageergebnis, z. B. nur gut 7
Jahre zwischen März 2000 (dem Platzen der historischen
Internetblase) und Juni 2007. Selbst beim Nasdaq Composite, bei dem
sich Ende der neunziger Jahre eine beispiellose Spekulationsblase
aufgebläht hatte, waren es zwischen März 2000 und April 2015 "nur"
etwa 15 Jahre.
Grob 15 bis 20 Jahre maximale Leidenszeit sind also eine gute
Faustregel. Sie gilt nicht für alle Märkte, beispielsweise auch
nicht für den Euro Stoxx 50 (in dem im Gegensatz zum DAX keine
Dividenden einberechnet werden), aber sehr oft. Einen weltweit
wichtigen Aktienmarkt musste ich bisher aus dieser Argumentation
indes immer "heraus erklären": Japan. Denn in Japan hätte "Kaufen
und Liegenlassen" selbst nach 34 Jahren nicht zwangsläufig zum
Erfolg bzw. in die schwarzen Zahlen geführt. Und zwischen 15 und 34
Jahren liegen (Anleger-)Welten. Eine 15-jährige Verlustphase kann
jede langfristig orientierte Anlegerin aussitzen, auch wenn es
zwischenzeitlich schmerzt. Aber 34 Jahre sind oft schon ein
komplettes Anlegerleben. Wer beispielsweise mit Mitte 30 das erste
Mal Aktien kauft, um für den Ruhestand vorzusorgen, könnte bei einer
34-jährigen Dürrezeit im Alter von 70 Jahren immer noch auf
Verlusten sitzen, statt Vermögen gebildet zu haben. Insofern würde
ich es nicht nur Fans japanischer Aktien wünschen, dass der Nikkei
bald sein 1989er-Hoch wieder erreicht, sondern auch allen
Kapitalmarktteilnehmern, die wie ich gerne mit langfristigen
historischen Renditen für die Aktienanlage begeistern wollen.
Von Christoph Frank, 19. Februar 2024, © pfp Advisory
Christoph Frank ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp
Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Roger Peeters verwaltet
der Experte, der seit über 25 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktiv
ist, den 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten
Stock-Picking-Fonds DWS Concept Platow (WKN DWSK62) sowie den im
August 2021 aufgelegten pfp Advisory Aktien Mittelstand Premium (WKN
A3CM1J). Weitere Informationen unter www.pfp-advisory.de. Frank
schreibt regelmäßig für die Frankfurter Wertpapierbörse.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG
verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und
Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
AXC0134 2024-02-19/12:05
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