ROUNDUP: Die Kakao-Krise - Wird die Tafel Schokolade teurer oder kleiner? |
25.02.2024 13:35:00 |
BONN(dpa-AFX) - Schokoladen-Fans kann bei dem Anblick bange werden.
Der Preis für eine Tonne Rohkakao an der Rohstoffbörse in London
kletterte zuletzt steil nach oben - auf einen Rekordstand von
umgerechnet knapp 5500 Euro. Zum Vergleich: Anfang Januar hatte der
Preis noch unter 4000 Euro gelegen, im Februar vergangenen Jahres
unter 2500 Euro. Die wichtigste Zutat für Schokolade ist so teuer
wie noch nie. Auch Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland
müssen damit rechnen, dass sie für die beliebte Süßigkeit bald
tiefer in die Tasche greifen müssen.
"Ein Kilo Kakao ist knapp drei Euro teurer als noch vor einem Jahr.
Was das für die Herstellungskosten einer 100-Gramm-Schokoladentafel
bedeutet, die zwischen 35 und 70 Prozent Kakao enthält, kann sich
jeder selbst ausrechnen, aber wir bewerten aktuell gesamthaft die
Situation", sagt ein Sprecher des Schokoladenherstellers Ritter
Sport. Zu möglichen Preiserhöhungen will das Unternehmen aus
kartellrechtlichen Gründen nichts sagen. Solveig Schneider, die
stellvertretende Geschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen
Süßwarenindustrie (BDSI), erklärt: "Gestiegene Rohstoffpreise und
Löhne können zu Kostensteigerungen führen, die tendenziell an den
Verbraucher weitergegeben werden könnten."
Michele Buck, Chefin des US-Unternehmens Hershey, einem der weltweit
größten Süßwarenhersteller, schloss eine Erhöhung der Preise nicht
aus. "Angesichts der aktuellen Lage bei den Kakaopreisen werden wir
jedes Instrument in unserem Werkzeugkasten nutzen, einschließlich
der Preisgestaltung, um das Geschäft zu steuern", sagte sie Mitte
Februar bei der Vorstellung der Geschäftszahlen. Alexander von
Maillot, Deutschlandchef vom Schweizer Lebensmittelgigant Nestlé,
äußerte sich zuletzt ähnlich.
Kakaobäume nicht resistent gegen Virus
Der Preis für Kakao ist zuletzt vor allem deshalb so stark
gestiegen, weil das Angebot in den Anbauländern immer knapper wird.
60 Prozent der weltweiten Kakaoproduktion entfallen auf die
Elfenbeinküste und Ghana. Der Klimawandel beeinträchtigt den Anbau
erheblich. Häufigere Extremwettereignisse wie lange Dürreperioden,
Starkregen und Überflutungen haben der Umweltorganisation WWF
zufolge der Qualität des Kakaos geschadet, Erträge reduziert oder
Ernten völlig zerstört.
Längere Regenperioden führen auch zur Ausbreitung von
Pflanzenkrankheiten wie CSSVD. Das Virus, das von Blattläusen
verbreitet wird, führt zum Absterben der Kakaobäume. In Ghana sind
laut Kerstin Weber, Umweltwissenschaftlerin beim WWF, bereits 17
Prozent aller Anbauflächen betroffen, auch auf die Elfenbeinküste
greift CSSVD demnach über. Da Kakaobäume nicht resistent seien,
bestehe die einzig wirksame Behandlung darin, infizierte Bäume zu
fällen und neue zu pflanzen, sagt Weber. Das Virus könne sich so
schnell verbreiten, weil Kakao meist in Monokulturen angepflanzt
werde.
Pro-Kopf-Verbrauch von Schokolade bei 9,3 Kilo
Die Süßwarenbranche beklagt die stark gestiegenen Kosten. EU-Zucker
war 2023 laut BDSI 72 Prozent teurer als im Vorjahr, Kakaobutter
legte um 52 Prozent zu, Kakao um 43 Prozent. Die jüngsten
Entwicklungen sind hier noch nicht voll eingerechnet. Wie viel teuer
wird Schokolade künftig sein? Lebensmittelkonzerne wie Mondelez
("Milka") teilen dazu lediglich mit, die Festsetzung der
Endverbraucherpreise liege in der Verantwortung des
Lebensmitteleinzelhandels.
Der Handel ist beim Thema Preise ebenfalls zurückhaltend, aus
Wettbewerbsgründen will man dazu und zu den Verhandlungen mit
Herstellern nichts sagen. Die weltweite Nachfrage sei deutlich
größer als das Angebot, sagt ein Sprecher von Rewe. Dennoch lasse
sich "nicht per se ableiten, dass Schokolade oder kakaohaltige
Produkte" teurer werden. Gründe seien der intensive Preiswettbewerb,
laufende Verträge, Bevorratungen der Hersteller und der tatsächliche
Kakaoanteil. Der ist rechtlich vorgeschrieben. Nur wenn der Anteil
bei mindestens 35 Prozent liegt, darf ein Produkt Schokolade genannt
werden.
Die Menschen in Deutschland waren zuletzt stark von
Preissteigerungen betroffen und mussten beim Konsum häufig sparsam,
bei Schokolade jedoch weniger. Laut den Marktforschern von NIQ
legten die entsprechenden Produkte 2023 deutlich zu, nicht nur
aufgrund steigender Preise. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von
Schokoladenwaren in Deutschland ist stabil, 2023 lag er laut BDSI
bei 9,3 Kilo. Neue Preiserhöhungen schrecken viele Menschen offenbar
nicht ab. 51 Prozent geben in einer aktuellen Yougov-Umfrage an,
dass ihr Schokoladenkonsum unverändert bleiben würde, 37 Prozent
würden weniger essen.
"Vor gut 20 Jahren kostete die Tafel 99 Pfennig"
Auch Armin Valet rechnet damit, dass Schokolade teurer wird. Der
Lebensmittel-Experte der Verbraucherzentrale kann sich auch
vorstellen, dass die klassische Tafel kleiner wird. Valet untersucht
seit Jahren Produkte, die bei gleichen oder steigenden Preisen
schrumpfen. Zuletzt landeten viele Süßwaren auf seiner Liste. "Die
Hersteller und Händler wissen, dass Verbraucher bei Genussprodukten
wie Schokolade weniger auf den Preis schauen. Deshalb erhöhen sie
besonders gern die Preise", so Valet. In der Vergangenheit sei
Schokolade auch ohne gestiegene Rohstoffpreise regelmäßig teurer
geworden. "Vor gut 20 Jahren kostete die Tafel 99 Pfennig, aktuell
1,49 Euro. Der Preis hat sich also verdreifacht."
Die Kakao-Knappheit wird vermutlich kein kurzweiliges Phänomen sein.
Der WWF beruft sich auf Studien, wonach die Produktion in Afrika
noch wesentlich stärker einbrechen könnte, weil die Mehrheit der
Anbauflächen in Zukunft deutlich weniger geeignet sein werde. Für
viele der oft in Armut lebenden Kakaobauern würde dann eine wichtige
Einkommensquelle wegbrechen. Aktuell landen lediglich etwa sechs
Prozent des Preises einer durchschnittlichen Schokoladen-Tafel bei
den Farmern.
"Der Kakaoanbau hat in vielen Gebieten nur noch eine Zukunft, wenn
rechtzeitig die nötigen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel
ergriffen werden und auf widerstandsfähige, nachhaltige Anbausysteme
umgestellt wird", sagt Expertin Weber. Auch bei anderen andere
Lebensmitteln wie Avocado, Kaffee, Mango, Kokos, Papaya und Bananen
kann es dem WWF zufolge klimabedingt künftig zu größeren
Schwankungen bei Verfügbarkeit und Preisen kommen./cr/DP/jha
ISIN CH0038863350 US6092071058
AXC0021 2024-02-25/13:35
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Autor: - dpa-AFX
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