ROUNDUP: Landgericht München muss Lkw-Kartellprozess neu verhandeln |
28.03.2024 13:10:00 |
MÜNCHEN (dpa-AFX) - Das Landgericht München muss den größten
Schadenersatzprozess gegen ein Lkw-Kartell noch einmal aufrollen.
Das Oberlandesgericht München hob das vor drei Jahren gefällte
Urteil am Donnerstag auf, weil die Klage entgegen der Ansicht des
Landgerichts zulässig sei.
Aber viele Fragen seien noch offen: "Der Rechtsstreit ist zum
jetzigen Zeitpunkt nicht insgesamt entscheidungsreif", erklärte der
Kartellsenat des OLG und verwies das Verfahren deshalb zur erneuten
Verhandlung zurück an das Landgericht.
Die EU-Kommission hatte gegen die Lkw-Konzerne DAF, Daimler, Iveco,
Scania und Volvo/Renault Bußgelder von fast vier Milliarden Euro
verhängt, weil sie von 1997 bis 2011 Verkaufspreise ausgetauscht
hatten. MAN war als Kronzeuge straffrei ausgegangen. Die Käufer von
rund 70 000 angeblich überteuert verkauften Lastwagen fordern von
MAN, Daimler, Iveco und Volvo/Renault 560 Millionen Euro
Schadenersatz plus Zinsen. Dazu haben sie ihre Ansprüche an den
Inkasso- und Rechtsdienstleister Financialright Claims abgetreten:
Er tritt als alleiniger Kläger auf und bekommt im Erfolgsfall 33
Prozent Provision.
In erster Instanz war die Sammellage gescheitert: Das Landgericht
hatte sie 2020 als teils unzulässig, teils unbegründet abgewiesen.
Die Klägerin Financialright Claims sei nicht anspruchsberechtigt,
weil die Abtretungen gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz
verstießen und somit nichtig seien. Das Oberlandesgericht (OLG) kam
im Berufungsverfahren aber zu einer anderen Bewertung.
Das Vorgehen der Klägerin sei durch die Inkasso-Befugnis gedeckt,
urteilte der Kartellsenat. Wie der Bundesgerichtshof inzwischen
mehrfach entschieden habe, setzt die Nichtigkeit der
Forderungsabtretungen eine eindeutige und nicht nur eine
geringfügige Überschreitung voraus. Das sei hier nicht der Fall.
Es gehe bei der Klage um ganz verschiedene Lastwagen und Kunden aus
ganz Europa, um Ansprüche im besonders komplizierten Kartellrecht,
auch um ausländisches Recht. Den Lkw-Käufern und Leasingnehmern
solle bei schwieriger Rechtslage nicht das Risiko dieser
Einschätzung aufgebürdet werden. Entgegen der Ansicht der
Lkw-Hersteller sei die Klage nicht mangels Anspruchsberechtigung der
Inkasso- und Rechtsdienstleistungsfirma abzuweisen.
Der Senat wies auch den Einwand zurück, die Klage sei wegen ihres
außergewöhnlichen Umfangs rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin sei
auch nicht verpflichtet, ihren Vertrag mit einem Prozessfinanzierer
vorzulegen. Das hatten die Lkw-Hersteller verlangt mit der
Begründung, die Bündelung Tausender Forderungen mit völlig
unterschiedlichen Erfolgsaussichten und die wirtschaftliche
Abhängigkeit von einem Prozessfinanzierer mache es Financialright
Claims schwer möglich, Vergleiche abzuschließen.
Das Oberlandesgericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu.
Daimler Truck teilte mit, der Konzern prüfe, ob er
Rechtsmittel einlege. "Wir können die Entscheidung des Gerichts
nicht nachvollziehen." Daimler betonte, das Urteil beschäftigt sich
ausschließlich mit formalen Vorfragen der Klage und treffe keine
Aussage über einen möglichen Schaden. "Wir werden uns auch weiterhin
entschieden gegen unberechtigte Ansprüche zur Wehr setzen."
Die EU-Kommission hatte 2016 festgestellt, dass die Lkw-Hersteller
durch Absprachen über Preise für mittelschwere und schwere Lkw und
über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung
von Abgastechnik gegen das Kartellverbot verstoßen haben. Ob
Lkw-Käufern durch das Kartell ein Schaden entstanden ist, hatte die
EU-Kommission offengelassen. Die Lkw-Hersteller bestreiten
es./rol/DP/mis
ISIN SE0000115446 FR0000131906 DE000DTR0CK8
AXC0198 2024-03-28/13:10
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Autor: - dpa-AFX
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