ROUNDUP: Boeing verbrennt Milliardensumme wegen 737-Max-Krise |
24.04.2024 17:16:00 |
ARLINGTON (dpa-AFX) - Die Krise um den Mittelstreckenjet 737 Max
kommt den Flugzeughersteller Boeing teuer zu stehen.
Allein im ersten Quartal verbrannte der US-Konzern fast vier
Milliarden US-Dollar an Barmitteln, wie er am Mittwoch in Arlington
mitteilte. Der Hersteller musste nach einem Beinahe-Unglück und
zahlreichen Produktionsmängeln die Auslieferung seines wichtigsten
Flugzeugtyps drosseln und außerdem Airlines für ein mehrwöchiges
Startverbot entschädigen.
So hat sich die Schieflage des einst weltgrößten Flugzeugherstellers
nach fünf Verlustjahren in Folge noch einmal verschärft. Konzernchef
Dave Calhoun schrieb in einem Brief an die Mitarbeiter dennoch von
einer "kurzfristig" schwierigen Phase für das Unternehmen. Die
geringeren Auslieferungszahlen könnten zwar für die Finanzen des
Konzerns und seine Kunden schwierig sein. "Aber Sicherheit und
Qualität müssen und werden über allem stehen."
Trotz des Verlusts und der hohen Mittelabflüsse lief es für Boeing
zumindest finanziell nicht so schlimm wie befürchtet. Mit 3,9
Milliarden Dollar verbrannte der Konzern im ersten Quartal eine
halbe Milliarde weniger Barmittel als von Analysten erwartet - und
nicht so viel wie von Finanzchef Brian West zuletzt angekündigt. Der
Nettoverlust lag mit 355 Millionen Dollar sogar 16 Prozent niedriger
als ein Jahr zuvor und nur rund halb so hoch wie von Experten
geschätzt.
Boeing steckt schon seit den Abstürzen zweier 737-Max-Jets mit 346
Toten vor mehr als fünf Jahren in einer Dauerkrise. Ein mehr als
20-monatiges Startverbot für die Maschinen der Reihe und Probleme
mit weiteren Modellen warfen den Hersteller seit März 2019 weit
hinter seinen europäischen Rivalen Airbus zurück.
Als auf einem Flug von Alaska Airlines Anfang Januar
2024 schließlich ein türgroßes Rumpfteil aus einem Jet der Variante
737-9 Max herausbrach, griff die US-Luftfahrtbehörde FAA durch.
Zunächst durften die Maschinen der betroffenen Variante bis zu einer
technischen Überprüfung nicht mehr starten. Zudem nimmt die Behörde
seither die Produktions- und Kontrollprozesse unter die Lupe.
Vor allem darf Boeing die Produktion der gesamten 737-Reihe vorerst
nicht mehr über das zuletzt erreichte Niveau von 38 Maschinen pro
Monat ausweiten. Airlines wie die Billigflieger Southwest
und Ryanair mussten deshalb ihre
Flugpläne zusammenstreichen. Die zuvor geplante Steigerung auf rund
50 Maschinen pro Monat ist damit vorläufig außer Sicht.
Damit fällt Boeing noch weiter hinter Airbus zurück: Der europäische
Hersteller baute von seinen Mittelstreckenjets der A320neo-Familie
zuletzt schon monatlich etwa 50 Exemplare. Und Airbus-Chef Guillaume
Faury will die Produktion der Reihe bis zum Jahr 2026 auf das
Rekordniveau von 75 Maschinen pro Monat ausweiten.
Boeing hingegen fuhr die Produktion der 737-Reihe im ersten Quartal
noch stärker zurück als von Aufsicht gefordert. Über alle Modelle
hinweg lieferte der Hersteller nur 83 Passagier- und Frachtjets aus
- 36 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Der Umsatz der
Verkehrsflugzeugsparte brach deshalb um 31 Prozent ein. Dass der
Erlös konzernweit nur um acht Prozent auf knapp 16,6 Milliarden
Dollar sank, verdankte Boeing Zuwächsen im Rüstungs-, Raumfahrt- und
Service-Geschäft. Am Finanzmarkt wurden die Neuigkeiten dennoch
positiv aufgenommen - schließlich hatten Analysten noch schlechtere
Zahlen erwartet. Im frühen New Yorker Handel legte die Boeing-Aktie
zuletzt um rund zweieinhalb Prozent auf 173,54 Dollar zu. Seit dem
Jahreswechsel hat sie jedoch mehr als ein Drittel eingebüßt.
Inzwischen hat Boeing nicht nur seine Position als weltgrößter
Flugzeughersteller an Airbus verloren. Auch beim Börsenwert ist der
US-Konzern deutlich hinter den europäischen Hersteller
zurückgefallen. Insgesamt wird Boeing am Finanzmarkt derzeit mit
umgerechnet rund 98 Milliarden Euro bewertet. Airbus kommt auf mehr
als 128 Milliarden Euro.
Boeing-Chef Calhoun warb am Mittwoch um Geduld: "Wir nehmen uns die
nötige Zeit, um unsere Systeme zur Sicherung von Qualität und
Sicherheit zu stärken." Im März hatte der Manager überraschend
seinen Rückzug zum Jahresende angekündigt. Der bisherige Chef der
Verkehrsflugzeugsparte, Stan Deal, gab seinen Posten sogar mit
sofortiger Wirkung an Stephanie Pope ab, die erst Anfang Januar zur
Chefin des konzernweiten Tagesgeschäfts aufgestiegen war.
Konzernchef Calhoun war Anfang 2020 an die Boeing-Spitze gerückt, um
das Unternehmen nach dem Absturz der beiden 737-Max-Jets und des
folgenden Startverbots wieder in die Spur zu bringen. Doch in seiner
Zeit im Chefsessel taten sich immer neue teure Probleme auch an
anderen Stellen auf. So musste Boeing die Auslieferung seiner
Langstreckenjets vom Typ 787 "Dreamliner" mehr als ein Jahr
aussetzen. Die erste Auslieferung des modernisierten Großraumjets
777X verschob sich sogar um mehrere Jahre auf 2025 - was Boeing
weitere Milliarden kostete./stw/ngu/he
ISIN NL0000235190 US0970231058
AXC0274 2024-04-24/17:16
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Autor: - dpa-AFX
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