Höhere Ticketsteuer belastet Urlauber und Tourismus-Branche |
01.05.2024 06:43:00 |
FRANKFURT/BERLIN (dpa-AFX) - Die Steuer auf Flugtickets von
deutschen Abflugorten steigt zum 1. Mai erneut. Das hat Folgen für
Urlauberinnen und Urlauber. Zugleich befürchten Reiseveranstalter
und Airlines Belastungen in Millionenhöhe und langfristige Probleme
durch die Entscheidung der Ampel-Koalition. Die Steueranhebung ist
Teil des Maßnahmenpakets, mit dem die Bundesregierung nach einem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts Milliardenlöcher im Haushalt
stopfen will.
Werden Pauschalreisen und Flugtickets künftig teurer?
Wahrscheinlich, denn grundsätzlich müssen Wirtschaftsunternehmen wie
Airlines oder Reiseanbieter immer versuchen, zusätzliche Kosten an
ihre Kunden weiterzugeben. Steuern und Abgaben machen aber nur einen
Teil des Preises einer Pauschalreise aus. Zu Buche schlagen vor
allem die Kosten für den Einkauf von Hotelkontingenten und
Flugkapazitäten. Wie sich diese entwickeln hängt auch von der
allgemeinen Preisentwicklung im jeweiligen Urlaubsland ab. Bei den
reinen Flugtickets wirkt sich die Konkurrenzsituation aus, die auf
der jeweils gebuchten Strecke herrscht. Ist dort nur ein Anbieter
unterwegs, werden die höheren Steuern voraussichtlich im vollen
Umfang an die Kunden weitergegeben, was bei scharfer Konkurrenz
nicht so einfach wäre.
Wie stark steigen die Steuersätze?
Die Erhöhung betrifft sämtliche Passagierflüge, die von deutschen
Flughäfen abheben. Vom 1. Mai an liegen die Steuersätze je nach
Endziel der Flugreise zwischen 15,53 und 70,83 Euro pro Ticket.
Bislang waren in drei Entfernungsklassen zwischen 12,48 Euro und
56,91 Euro fällig. Die Steigerung zu den erst 2020 kräftig erhöhten
Sätzen beträgt zwischen 22,5 und 24,5 Prozent. Bei Europaflügen
übertrifft der neue Steuersatz den historischen Tiefstand vom
Jahresbeginn 2019 um mehr als das Doppelte. In der EU erheben nur 9
von 27 Mitgliedsstaaten eine Ticketsteuer. Die deutsche Abgabe
gehört mit zu den höchsten.
Welcher Steuersatz wird zu meinem Ziel fällig?
Die Steuersätze sind zwar grundsätzlich nach Entfernung gestaffelt,
die tatsächliche Entfernung zwischen Start und Ziel spielt aber
keine direkte Rolle. Stattdessen hat der Gesetzgeber in Anlagen zum
Luftverkehrssteuergesetz Länder aufgelistet, für die der jeweilige
Satz gilt. In der niedrigsten Klasse mit 15,53 Euro sind alle
europäischen Staaten enthalten einschließlich der Türkei und
Russland sowie Algerien. Hier sind typische Urlaubsflüge nach
Mallorca ebenso abgedeckt wie ein Geschäftsflug nach London. 39,34
Euro werden fällig bei Flügen in viele afrikanische und asiatische
Länder, die bis zu 6000 Kilometer entfernt sind. Typische Ziele sind
hier beispielsweise Dubai, Tel Aviv oder Addis Abeba. Für noch
längere Flüge etwa nach China oder in die USA beträgt die
Ticketsteuer dann 70,83 Euro.
Können Veranstalter und Airlines von ihren Kunden nachträglich die
Steuern nachfordern?
Das entsprechende Steuergesetz ist erst Ende März in Kraft getreten,
also zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits etliche Flugtickets und
Pauschalreisen für die Zeit nach dem 1. Mai verkauft waren, die nun
unter den erhöhten Steuersatz fallen. Erst ab dem 28. März durften
die Unternehmen die höheren Ticketsteuern in ihre Endpreise
einberechnen. Die irische Gesellschaft Ryanair hat
dem Fachblatt "fvw" zufolge betroffene Passagiere aufgefordert, die
Tickets zu stornieren oder die höheren Steuern nachzuzahlen. Ob der
Verweis auf die AGB rechtmäßig ist, ist laut Verbraucherschützern
fraglich.
Bei Flugtickets sieht der Bundesverband der Deutschen
Luftverkehrswirtschaft (BDL) dennoch keine rechtliche Grundlage für
Nachforderungen. Entsprechend hat zum Beispiel die Lufthansa
bei frühzeitig verkauften Tickets die erhöhte Steuer
selbst getragen, wie eine Sprecherin versichert. Eine Summe wird
nicht genannt.
Anders sieht die Rechtslage für Reiseveranstalter aus: Sie dürfen
unter bestimmten Bedingungen die nachträglich erhöhten Kosten an
ihre Touristen weitergeben. "Der Vertrag muss das vorsehen und
zugleich einen Hinweis darauf enthalten, dass auch umgekehrt der
Reisende eine Senkung des Reisepreises verlangen kann, wenn
beispielsweise der Kerosinpreis sinkt", erläutert Felix Methmann vom
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Erhöhungen nach
Vertragsabschluss seien unter diesen Voraussetzungen möglich bei
höheren Treibstoffkosten, Erhöhung von Steuern und sonstigen Abgaben
für vereinbarte Reiseleistungen oder Änderung der für die
Pauschalreise geltenden Wechselkurse. Der Veranstalter müsse die
Berechnung der Preiserhöhung offenlegen und die Urlauber spätestens
20 Tage vor Reisebeginn darüber informieren. Veranstalter wie
Branchenprimus Tui und DER Touristik haben
rückwirkende Preiserhöhungen ausgeschlossen.
Haben die Veranstalter ihre Kunden zur Kasse gebeten?
Die Veranstalter haben die Mehrkosten selbst getragen, sagt der
Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. "Die
sehr kurzfristige Erhöhung der Ticketsteuer bereits zum 1. Mai und
damit noch vor Beginn der Hauptreisezeit führt nach unseren
Berechnungen zu einer Mehrbelastung bei den Reiseveranstaltern von
rund 21 Millionen Euro", sagt Fiebig. "Diese zusätzlichen Kosten
können nicht auf die Reisenden umgelegt werden, da eine
nachträgliche Erhöhung der Reisepreise bei Pauschalreisen de facto
nicht möglich ist", meint er mit Blick auf die damit verbundenen
Bedingungen.
Welche langfristigen Folgen befürchten die Touristiker?
Fiebig kritisiert, dass Reisen durch Entscheidungen der Politik
immer teurer werde. So könnten ab kommendem Jahr beispielsweise die
Luftsicherheitsgebühren um 50 Prozent angehoben werden. "Der Urlaub
musste durch Inflation und gestiegene Energiekosten ohnehin schon
Preissteigerungen hinnehmen und zusätzlich verteuern auch die
politischen Entscheidungsträger das Reisen immer weiter."
Wie viel bringt die Steuererhöhung dem Staat?
Die 2011 von der schwarz-gelben Regierung eingeführte Ticketsteuer
brachte im Jahr 2022 knapp 1,2 Milliarden Euro Einnahmen für den
Staat ein. In diesem Jahr sollen durch die höhere Ticketsteuer rund
400 Millionen Euro mehr Steuern in die Staatskasse fließen. Für die
Folgejahre rechnet die Regierung mit Mehreinnahmen von 580 Millionen
Euro.
Welche längerfristigen Folgen drohen im Luftverkehr?
In den vergangenen Jahren wurde nicht nur die Luftverkehrsteuer
mehrfach erhöht. Gleichzeitig stiegen die Kosten für die Passagier-
und Gepäckkontrollen, für die Leistungen der Fluglotsen auf der
Strecke wie beim Starten und Landen und für die Abfertigung an den
Flughäfen. Beim Start eines Mittelstreckenjets vom Typ Airbus
A320 werden an deutschen Flughäfen rund 4000 Euro
staatliche Abgaben fällig, klagt die Lufthansa in ihrem jüngsten
Politikbrief. Der gleiche Start in Madrid oder Barcelona werde
hingegen nur mit 600 Euro belastet.
Dass Deutschland ein teures Pflaster für Passagierflüge geworden
ist, hat den Branchenverbänden zufolge auch langfristige
Auswirkungen. Während das Sitzplatzangebot hierzulande erst rund 80
Prozent des Vor-Corona-Niveaus erreicht, wird in den meisten anderen
europäischen Ländern längst wieder so viel geflogen wie vor der
Pandemie.
Billiggesellschaften wie Ryanair, Easyjet oder Wizz
Air setzen ihre Flugzeuge in Märkten mit geringeren Eingangskosten
ein, weil sie dort einfacher ihre Gewinnschwelle erreichen. Ihr
Angebot von Flügen mit billigen Tickets wächst in Italien, Spanien
oder Polen, während es für die Konsumenten in Deutschland schon
deutlich geschrumpft ist. Eine Umkehr könne es nur geben, wenn die
Kosten an den deutschen Flughäfen sinken, hat Ryanairs
Marketing-Chef Dara Brady erst kürzlich wieder
erklärt./mar/ceb/DP/zb
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AXC0032 2024-05-01/06:43
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Autor: - dpa-AFX
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