ROUNDUP 4/Baerbock: Wegen Krisen keine erneute Kanzlerkandidatur |
10.07.2024 22:07:00 |
(neu: mehr Details u.a. zu Habeck, 4. Abs.)
BERLIN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Annalena Baerbock strebt keine erneute
Grünen-Kanzlerkandidatur an und will sich auf ihr Amt als
Außenministerin konzentrieren. Statt in einer Kanzlerkandidatur
gebunden zu sein, wolle sie angesichts der internationalen Krisen
ihre Kraft voll ihrer aktuellen Aufgabe widmen, erklärte die
Grünen-Politikerin in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN am
Rande des Nato-Gipfels in Washington.
"Die Welt ist offensichtlich eine ganz andere als zur letzten
Bundestagswahl", sagte Baerbock laut offizieller Übersetzung des
Auswärtigen Amts in Berlin. "Im Lichte des russischen Angriffskriegs
und nun auch der dramatischen Lage im Nahen Osten braucht es nicht
weniger, sondern mehr Diplomatie. Sonst füllen die Lücke andere",
ergänzte sie.
"Staatspolitische Verantwortung in extremen Zeiten"
Baerbock fügte in dem von der CNN-Journalistin Christiane Amanpour
geführten Interview hinzu: "Daher bedeutet in diesen extremen Zeiten
staatspolitische Verantwortung als Außenministerin für mich: Statt
in einer Kanzlerkandidatur gebunden zu sein, meine Kraft weiterhin
voll und ganz meiner Aufgabe zu widmen, Vertrauen, Kooperation und
verlässliche Strukturen zu bilden - für und mit so vielen Partnern
weltweit und in Europa, die darauf bauen."
Baerbocks Parteikollege, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert
Habeck, ist derzeit auf Sommerreise durch mehrere Bundesländer. Nach
Baerbocks Interview gab er sich in Dortmund zurückhaltend auf die
Frage, ob er jetzt seine Kanzlerkandidatur erkläre. Baerbock habe
dafür gesorgt, dass Deutschland in den letzten Jahren ein
Stabilitätsfaktor in der Außenpolitik gewesen sei und nach wie vor
sei - sie mache einen hervorragenden Job als Außenministerin, sagte
er vor der Skulptur "Hüttenmann", im Hintergrund ein stillgelegter
Hochofen. "Alles Weitere werden wir in den Gremien beraten und die
richtigen Entscheidungen rechtzeitig verkünden." Dem Vernehmen nach
war er informiert über den Schritt seiner Kollegin.
Baerbock hatte sich vor der Bundestagswahl 2021 mit Habeck geeinigt,
damals als Kanzlerkandidatin der Grünen anzutreten. Die Partei lag
zu der Zeit weit über 20 Prozent, derzeit rangiert sie nur bei 11
Prozent. Damals hatte Habeck der "Zeit" nach seinem Verzicht gesagt:
"Nichts wollte ich mehr, als dieser Republik als Kanzler zu dienen."
Baerbock versicherte in ihrem jetzigen Interview: "Natürlich werde
ich im Wahlkampf alles tun, um meine Partei zu unterstützen, wie ich
es das letzte Mal auch getan habe."
Habeck ist die Lust auf die Kanzlerkandidatur anzumerken
Dass entweder Baerbock oder Vizekanzler und Wirtschaftsminister
Robert Habeck die Grünen in den nächsten Bundestagswahlkampf führen
würden, ist seit Längerem klar. Habeck ist die Lust auf die
Kandidatur seit Monaten deutlich anzumerken, auch wenn er das
bislang nicht glasklar gesagt hat. Wie auch? Schließlich gibt es da
noch Baerbock.
In deren Umfeld hieß es noch im Frühjahr, man wolle am vor
zweieinhalb Jahren vereinbarten Verfahren zur Kandidatenaufstellung
festhalten. Im September 2022 hatte der Vorstand entschieden, dass
die Partei-Basis bei einer Urwahl entscheiden solle, falls es
mehrere aussichtsreiche Kandidaten geben sollte. Doch eine
Hängepartie, womöglich öffentlich ausgetragen, wollte man gerne
vermeiden. Spitzen-Grüne hofften stets, dass die beiden früheren
Parteichefs sich gütlich einigen würden.
Grünen-Spitzen loben Baerbocks Entscheidung
Die beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Katharina
Dröge und Britta Haßelmann, erklärten jeweils auf X, es sei
verantwortungsvoll, dass Baerbock sich in dieser Zeit auf die
Außenpolitik konzentriere. Sie lobten Baerbock zudem für ihr
"Teamplay". "Gut so, für unser Land und für uns Grüne", schrieb
Haßelmann.
Ähnlich äußerten sich die Parteivorsitzenden Omid Nouripour und
Ricarda Lang: "So ist Annalena Baerbock, und so schätzen wir sie:
mit Verantwortung für das Ganze und als Teamspielerin." Dank
Baerbock sei Deutschland ein verlässlicher Partner in der Welt.
"Gerade jetzt braucht Deutschland eine engagierte Außenministerin
wie Annalena Baerbock." Und auch von ihnen hieß es: "Alles Weitere
entscheiden wir zum gegebenen Zeitpunkt."
Hätte Baerbock auf der Kandidatur bestanden, wäre ein Machtkampf mit
Habeck kaum vermeidbar gewesen. Das wirft die Frage auf: Wie viel
Ärger, wie viel politisches Kapital ist so ein Kampf wert? Und das
gerade bei einer Partei, die in den jüngsten Umfragen nur bei 11
Prozent rangiert?
Baerbock ist für eine Politikerin noch jung
Derzeit scheint abwegig, dass der nächste Kanzler (oder die nächste
Kanzlerin) ein grünes Parteibuch haben könnte. Aber es gibt ja noch
ein übernächstes Mal. Und Baerbock ist mit 43 Jahren jung für eine
Politikerin - vielleicht erklärt auch das den Verzicht./bk/hrz/DP/he
AXC0289 2024-07-10/22:07
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Autor: - dpa-AFX
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