ROUNDUP 2: Mit Anlauf in die Krise - Wie es bei Varta weitergeht |
19.08.2024 17:47:00 |
(Neu: Details)
ELLWANGEN (dpa-AFX) - Beim Batteriekonzern Varta
haben sich in den vergangenen Monaten die schlechten Nachrichten
gehäuft: Hackerangriff auf die Produktion, fehlende Jahreszahlen,
Abstieg aus der dritten Börsenliga, verpasste Umsatzziele.
Beobachter konnten miterleben, wie das Traditionsunternehmen aus
Ellwangen immer weiter in die Krise rutschte. Und das, obwohl
Batterien als Zukunftsprodukte gelten.
Der Überlebenskampf scheint vorerst beendet. Am Wochenende
verkündete das Unternehmen eine Einigung mit Finanzgläubigern und
Investoren. Das Sanierungskonzept hält aber mehrere bittere Pillen
bereit. Und es stellen sich Fragen: Wie geht es bei den Schwaben
weiter? Und wie konnte es überhaupt so weit kommen?
Schuldenschnitt und Porsche-Einstieg als Rettung
Das Konzept sieht vor allem zwei Schritte vor: Ein Schuldenschnitt
und die Verlängerung von Krediten soll die Verbindlichkeiten von
fast einer halben Milliarde Euro auf 200 Millionen Euro verringern.
Dann soll das Grundkapital der Varta AG auf null Euro herabgesetzt
werden. Der Effekt: Die derzeitigen Aktionäre scheiden ohne
Kompensation aus und der Konzern verliert seine Börsennotierung.
Anlegervertreter kündigten bereits Widerstand an.
Neben einer Gesellschaft des bisherigen Mehrheitseigners Michael
Tojner steigt danach auch der Stuttgarter Sportwagenbauer Porsche
bei Varta ein. Beide lassen sich das je 30 Millionen Euro kosten.
Von den Gläubigern kommen weitere 60 Millionen als Darlehen. Läuft
alles wie geplant, soll das Vorhaben die Finanzierung der Varta AG
bis Ende 2027 sichern. Der Batteriekonzern hatte das
vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren im Juli angemeldet.
Unternehmen mit langer Geschichte
Die Anfänge von Varta - der Name setzt sich aus den
Anfangsbuchstaben von "Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler
Akkumulatoren" zusammen - reichen bis ins Jahr 1887 zurück. Bereits
Forscher Fridtjof Nansen hatte Varta-Batterien bei einer
Polar-Expedition dabei. Heute hat Varta nicht mehr viel mit der
Gesellschaft gemein, die als Accumulatoren-Fabrik in Hagen gegründet
wurde. Der Grund: Varta geriet schon in den 1990er Jahren in die
Krise, wurde aufgespalten und stückweise verkauft.
Boom durch Batterien für kabellose Kopfhörer
Der Österreicher Tojner stieg 2007 ein. Er kaufte die Sparte für
Mikrobatterien und brachte sie zehn Jahren später an die Börse.
Tojner schien den richtigen Riecher gehabt zu haben: Der Börsengang
galt als Erfolg. Getrieben wurde die Entwicklung hauptsächlich von
der rasant steigenden Nachfrage nach wiederaufladbaren
Lithium-Ionen-Batterien - zum Beispiel für kabellose Kopfhörer und
Smartwatches.
2019 kaufte Varta auch den Geschäftsbereich Haushaltsbatterien
zurück. Innerhalb weniger Jahre vervierfachte der Konzern den Erlös
nahezu. Um die Produktion zu erweitern, wurden Millionen investiert
- und Schulden aufgenommen. In dieser Zeit stiegen die Schwaben auch
in die Entwicklung von Batteriezellen für E-Autos ein.
Vom Hoffnungsträger zum Sanierungsfall
2022 zeigten sich erste Risse im Bild: Varta hatte sich offenkundig
zu sehr von einem seiner Hauptkunden - Apple -
abhängig gemacht. Das US-Unternehmen hatte die Batterien aus
Ellwangen damals in seinen kabellosen Ohrhörern verbaut. Als sich
Apple einen weiteren Zulieferer suchte, geriet das Geschäft unter
Druck. Der damalige Varta-Chef Herbert Schein kassierte die Umsatz-
und Gewinnziele - und trat wenig später zurück.
In der Zeit danach versetzte die weltweite Wirtschaftsflaute und die
hohe Teuerung der Unterhaltungselektronik einen Schlag. Die
Nachfrage nach den kleinen Batterien ebbte ab. Die Konkurrenz aus
Fernost und Probleme in der Lieferkette machten Varta zusätzlich zu
schaffen.
E-Auto-Batterie in der Nische
Hinzu kam, dass die E-Auto-Batterie von Varta ein Nischenprodukt
blieb. Die Batterie ist für Hybridfahrzeuge gedacht und kann nur
wenig Strom speichern. Sie speichert Energie, die während der Fahrt
erzeugt wird, zum Beispiel beim Bremsen. Damit wird ein E-Motor
angetrieben, der den Verbrenner unterstützt.
Die Varta-Führung bekundete zwar immer wieder, dass es viele
Interessenten gebe. Einziger bekannter Kunde ist aber Porsche. Die
Zuffenhausener wollen aus diesem Grund auch die
Varta-Tochtergesellschaft V4Drive Battery mehrheitlich übernehmen.
Porsche braucht die Batterien dringend für den Hybrid-Antrieb des
Porsche 911 Carrera GTS.
Tojner: "Wir haben die Latte zu hoch gelegt"
Operative Schwierigkeiten, hohe Schulden, tiefrote Zahlen - Varta
schlitterte in der Folge immer weiter in die Krise. Beschäftigte
mussten in Kurzarbeit, später wurden Hunderte Stellen gestrichen. Zu
allem Überfluss legte im Frühjahr ein Hackerangriff die Produktion
an den deutschen Standorten lahm.
Arbeitnehmer- und Aktionärsvertreter machen vor allem
Managementfehler für die Misere verantwortlich. Auch Tojner, der
Aufsichtsratschef von Varta ist, gab sich in der "Frankfurter
Allgemeinen Zeitung" kürzlich selbstkritisch: "Wir haben die Latte
zu hoch gelegt. Wir haben verschiedene Projekte gestartet, groß
investiert, die Produktion ausgebaut."
Es sei zu viel Geld zu leichtfertig investiert worden, sagte Tojner.
Bis der Absturz gekommen sei - wegen mangelnder Risikoeinschätzung
und Überlastung der Organisation. "Im Nachhinein muss sich der
Aufsichtsrat mit mir an der Spitze aber auch Fehler eingestehen. Ich
hätte viel früher auf nachhaltigen Risikoanalysen bestehen müssen",
gestand er ein.
Wie geht es weiter?
Varta will an allen Standorten in Deutschland festhalten. In der
Verwaltung wird es einem Sprecher zufolge einen moderaten
Stellenabbau geben. In der Produktion würden jedoch Arbeitskräfte
gesucht. Was das am Ende für die Mitarbeiterzahl - aktuell arbeiten
bei Varta rund 4.000 Menschen - bedeute, sei noch nicht abzusehen.
Die Einigung muss in den kommenden Wochen dokumentiert und beim
Sanierungsgericht eingereicht werden. Dafür müssten die Gremien der
beteiligten Parteien zustimmen und das Bundeskartellamt grünes Licht
geben. Bis das Konzept final stehe, vergehen voraussichtlich Monate.
Man hoffe, dass der Prozess noch in diesem Jahr abgeschlossen werde,
hieß es./jwe/DP/ngu
ISIN US0378331005 DE0007664039 DE000A0TGJ55 DE000PAG9113
AXC0162 2024-08-19/17:47
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Autor: - dpa-AFX
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