WDH/ROUNDUP: Verbraucher verlieren die Lust am Einkaufsbummel |
18.09.2024 17:24:00 |
(Im 6. Absatz, 2. Satz wurde ein Tippfehler behoben: Kauflaune rpt
Kauflaune)
BERLIN/KÖLN (dpa-AFX) - Viele Verbraucher in Deutschland erledigen
ihre Einkäufe überwiegend in Klein- und Mittelstädten. Das zeigt
eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov
für den Standortmonitor des Handelsverbandes Deutschland (HDE).
Städte mit weniger als 100.000 Einwohnern können demnach vor allem
mit kurzen Fußwegen, einer angenehmen, entspannten Atmosphäre und
Übersichtlichkeit punkten. Mittelstädte - also jene, wo mehr als
20.000 Menschen wohnen - werden auch für das vielfältige Angebot an
Geschäften und Gastronomie geschätzt.
"Die gute Versorgung mit Gebrauchsgütern, die schnelle
Erreichbarkeit des Stadtzentrums und attraktive Einkaufsangebote
machen Klein- und Mittelstädte zu besonders lebenswerten Orten",
sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Ein direkter Vergleich
der Daten ist nicht möglich, weil die Befragung in dieser Form zum
ersten Mal durchgeführt wurde. Für Genth sind die Ergebnisse "viel
positiver als erwartet", die Situation in den Zentren der kleineren
Städte sei "oftmals bei weitem nicht so düster wie häufig
dargestellt".
Für den Handelsverband ist es eine gute Nachricht im Dickicht vieler
schlechter. Das Thema Innenstädte ist und bleibt jedoch schwierig,
der stationäre Handel steckt nach wie vor in einer schweren Krise,
Besserung ist nicht in Sicht.
Kauflaune bleibt schlecht
Die krisenbedingte Verunsicherung der Verbraucher ist leicht
rückläufig. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie des Kölner
Handelsforschungsinstituts IFH. Dennoch verliert der stationäre
Handel weiter an Relevanz - und die Konsumenten zunehmend die Lust
am Einkaufsbummel. Der Anteil der Verbraucher, die angeben, beim
Bummeln häufig etwas zu sehen und dann zu kaufen, ist in diesem Jahr
laut einer Umfrage des IFH von 46 auf 42 Prozent gesunken. Mehr als
jeder Dritte und damit mehr als im Vorjahr würde gern mehr in
Innenstädten einkaufen, findet es aber langweilig, "weil überall die
gleichen Anbieter sind". Bei Besserverdienern ist dieses Gefühl
besonders ausgeprägt.
Der Handel in Deutschland leidet unter Fachkräftemangel und
Insolvenzen bekannter Filialisten wie Galeria und Esprit. Die
Branche ist neben dem Baugewerbe am stärksten von Pleiten betroffen,
wie Auswertungen von Creditreform und Allianz Trade zeigen. Seit
2020 mussten laut HDE deutschlandweit etwa 46 000 Geschäfte
schließen. Sorgen bereitet auch die wachsende Zahl von Leerständen.
In knapp 30 Prozent Städte und Gemeinden gibt es nach Angaben des
Handelsforschungsinstituts EHI in den Fußgängerzonen eine
Leerstandsquote von mehr als 10 Prozent. In 40 Prozent der Fälle
dauert es länger als sechs Monate, bis die Flächen neu vermietet
sind.
Was die Unternehmen ebenfalls weiterhin plagt, ist die
Kaufzurückhaltung. 2022 und 2023 waren stark von der schlechten
Kauflaune geprägt, in diesem Jahr bleibt der erhoffte Aufschwung
aus. Die Konsumstimmung verschlechterte sich zuletzt sogar weiter,
wie die regelmäßigen Umfragen von GfK und HDE zeigen. Trotz
inzwischen rückläufiger Inflation achten die Verbraucher beim
Einkaufen immer noch stark auf Preise und Angebote.
Die Datenplattform Hystreet zählte in den deutschen Innenstädten
2024 zwar in mehreren Monaten mehr Passanten als im Vorjahr, für die
Händler wirkte sich das allerdings offensichtlich nicht spürbar
positiv aus. Zwischen Januar und April lagen die Umsätze im
deutschen Einzelhandel real, also preisbereinigt, nur 0,1 Prozent
über dem Vorjahreszeitraum. Auch die Fußball-Europameisterschaft
brachte nicht die erhoffte Trendwende.
Stationärer Handel verliert in allen Warengruppen
Der Handelsverband prognostiziert für den stationären Handel 2024
inflationsbereinigt lediglich ein Umsatz-Plus von einem Prozent. Die
Einzelhändler blicken wenig optimistisch nach vorn. Wie aus einer
kürzlich durchgeführten Branchenumfrage des HDE hervorgeht, erwartet
jeder zweite Unternehmer schlechtere Umsätze als im Vorjahr, weniger
als 30 Prozent glauben, dass die Geschäfte besser laufen. Zwei von
drei sehen sinkende Kundenfrequenzen an ihren stationären
Standorten. Besonders schlecht ist die Geschäftslage demnach im
Bereich Möbel und Einrichtung, Schuhe, Haushalts- und Spielwaren.
"In allen Gebrauchsgüter-Branchen - Kleidung, Möbel, Elektronik und
Freizeitprodukte - sehen wir einen weiteren Abfall der Käufe im
stationären Handel und dagegen einen Anstieg der Onlinekäufe", sagt
IFH-Direktor Werner Reinartz, Professor für Marketing an der
Universität zu Köln. Diese Tendenz werde sich 2025 fortsetzen.
E-Commerce-Experte Jochen Krisch gab Händlern in der Podcast-Reihe
"Exchanges" kürzlich etwas polemisch den Ratschlag: "Verkauft das
Stationäre, wenn ihr keine Online-Ideen habt, und investiert in
Amazon -Aktien."
Dennoch wissen die Konsumenten grundsätzlich nach wie vor, welche
Vorzüge ihnen stationäre Geschäfte bieten. Laut IFH schätzen sie vor
allem, Produkte direkt mitnehmen, ausprobieren und anfassen zu
können. Das sind die häufigsten Antworten von Kunden, auf die Frage
nach den Gründen für den Kauf. Viele nennen auch die Sicherheit,
hochwertige Produkte zu bekommen und nicht bei Fake Shops
einzukaufen.
"Die Leute wollen den Stoff spüren, sie wollen wissen, ob das
Kleidungsstück passt und nicht tausend Sachen hin- und herschicken",
sagt der Geschäftsführer der Handelsberatung BBE, Johannes
Berentzen. "Ich mache mir keine Sorgen um den stationären Handel.
Die Händler haben es selbst in der Hand." Aus seiner Sicht haben die
Klein- und Mittelstädte mit kurzen Wegen zu den Geschäften dabei
einen weiteren Vorteil. "Gerade für die immer älter werdende
Gesellschaft wird gute Erreichbarkeit zunehmend wichtig. Der ÖPNV in
den Großstädten kann die oft weiten Wege nur zum Teil
kompensieren."/cr/DP/jha
ISIN US0231351067
AXC0186 2024-09-18/17:24
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Autor: - dpa-AFX
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