ROUNDUP: Kampf um Kunden: Temu und Shein greifen Amazon an |
01.10.2024 06:35:00 |
KÖLN (dpa-AFX) - Günstigere Preise finden und vergleichen, nicht auf
Öffnungszeiten angewiesen sein, Produkte nach Hause liefern lassen -
der Onlinekauf hat für Konsumenten viele Vorteile. Für die Händler
waren dies in den vergangenen Jahren die wichtigsten Zutaten für den
wachsenden Erfolg der Branche. Zuletzt zog das alles nur noch
bedingt.
An seine Boomzeiten mit zweistelligen Wachstumsraten während der
Pandemie kann der Onlinehandel nicht anknüpfen. Nach einem schwachen
Jahr 2022 mit großem Umsatz-Rückgang wurde es 2023 nicht viel
besser. Prognosen zufolge bringt auch dieses Jahr nicht den
erhofften Aufschwung. Die Experten des Kölner
Handelsforschungsinstituts EHI erwarten für die größten 1.000
Onlineshops nur nominal ein Plus von 1 Prozent. Preisbereinigt
müssen die Händler erneut mit einem Minus rechnen. Ein Ende der
Krise ist nicht in Sicht.
"Der Onlinehandel leidet darunter, dass das Geld der Verbraucher
woanders hinfließt, zum Beispiel in Reisen und Konzerte", sagt der
E-Commerce-Experte des EHI, Lars Hofacker. "Viele Händler sind in
der Vergangenheit aus der großen Nachfrage heraus gewachsen und
durch die gestiegenen Kosten aktuell sehr gefordert." Das heißt
nicht, dass es für alle Shops schlecht läuft. Zu den Gewinnern
zählten zuletzt die asiatischen Online-Plattformen.
Der in China gegründete Modehändler Shein steigerte seinen Umsatz in
Deutschland im vergangenen Jahr um 30 Prozent und belegt in der
Rangliste der umsatzstärksten Online-Shops Platz 18. Auch bei den
Marktplätzen - also Internetseiten, auf denen Verbraucher von mehr
als einem Unternehmen Dinge zum Kauf angeboten werden - mischen die
Asiaten vorn mit. AliExpress belegte den vierten Platz. Temu, das
erst seit April 2023 in Deutschland aktiv ist, verpasste den Einzug
in die Top 10 knapp.
"Bisher hat Amazon kaum Antworten"
Vor allem Temu und Shein legen einen steilen Aufstieg hin. Laut
Branchenverband BEVH entfallen inzwischen fünf Prozent der
Bestellungen im deutschen Onlinehandel auf die beiden Anbieter.
Diese haben ihren Marktanteil binnen eines Jahres mehr als
verdoppelt. Temu lag bei den Bestellungen im zweiten Quartal bereits
auf dem vierten Platz hinter Amazon , Ebay
und Otto.
Die asiatischen Portale setzen die Etablierten unter Druck. Können
sie die Dominanz von Marktführer Amazon brechen? "Temu und Shein
zwingen Amazon in Deutschland zum ersten Mal seit knapp zehn Jahren,
die Strategien anzupassen", sagt der E-Commerce-Experte Alexander
Graf. Amazon habe den Markt bisher geprägt, auf das radikale
Geschäftsmodell von Temu und Shein aber kaum Antworten. Das werde
sich mittelfristig im Umsatz bemerkbar machen.
Temu und Shein bieten viele Artikel zu günstigen Preisen an. Durch
den starken Preisfokus der Kunden profitierten sie zuletzt von der
schlechten Konsumstimmung im Land. Nach Angaben des Handelsverbandes
Deutschland (HDE) versenden Temu und Shein zusammen täglich rund
400.000 Pakete in die Bundesrepublik. Shein bestreitet, dass die
Zahl so hoch ist.
Umfrage: 60 Prozent sind Shein und Temu zu unsicher
Shein und Temu polarisieren, seit sie die Handelsbühne betreten
haben. Sie schnappen gestandenen Playern wie Otto Umsatz weg. Laut
einer Schätzung des Handelsverbandes Textil Schuhe Lederwaren (BTE)
kauften die Deutschen 2023 rund eine Milliarde Modeartikel und
Schuhe bei asiatischen Anbietern. Shein und Temu konkurrieren mit
Amazon & Co. nicht nur um Käufer. Sie haben ihre Online-Marktplätze
zuletzt auch für deutsche Händler geöffnet.
Branchenvertreter sind nicht gut auf die neue Konkurrenz zu
sprechen. "Hier wird der Markt mit oft fragwürdiger oder
minderwertiger Ware überschwemmt, die in der EU zum Teil gar nicht
verkauft werden darf", sagt BTE-Geschäftsführer Axel Augustin. Shein
und Temu weisen die Vorwürfe zurück. Augustin und andere fordern
mehr Regulierung durch die EU und fairere Wettbewerbsbedingungen.
Stärkere Kontrolle der Anbieter angestrebt
Die Bundesregierung möchte sich gemeinsam mit anderen Staaten in der
EU für eine stärkere Kontrolle der Anbieter starkmachen. So sollen
konsequent Strafen verhängt werden, falls sich Online-Händler nicht
an geltende Regeln halten und beispielsweise nichts unternehmen,
wenn Produkte auf ihren Seiten als unsicher eingestuft werden.
Auch bei Kunden gibt es Bedenken. Portale wie Shein und Temu sind
gut 60 Prozent der Verbraucher zu unsicher, wie eine Umfrage des
Kölner Handelsforschungsinstituts IFH zeigt. Vor allem bei
Besserverdienern, Männern und Personen ab 50 sind die Vorbehalte
groß. Viele fürchten, dass die bestellten Artikel von minderwertiger
Qualität sind.
Werner Reinartz, Professor für Marketing an der Universität zu Köln,
sieht in dieser Unsicherheit eine Chance. Andere Händler könnten
sich durch Vertrauen von Plattformen wie Temu und Shein
differenzieren und profilieren.
Käufe verschieben sich immer mehr Richtung Internet
Branchen-Studien können dem Onlinehandel zumindest etwas Mut machen.
So sind nicht nur die Verunsicherung der Konsumenten und der Fokus
auf Preise und Angebote leicht rückläufig. In fast allen Bereichen
verschieben sich die Käufe immer weiter von stationären Geschäften
ins Internet.
Der Verband BEVH sah zuletzt leicht positive Signale. Zwischen April
und Juni gönnten sich Verbraucher wieder mehr. So wurde das erste
Marktwachstum im Onlinehandel seit zwei Jahren verbucht. Von
Optimismus könne aber noch keine Rede sein, heißt es.
Der Boom während der Pandemie ist für den E-Commerce psychologisch
zur Last geworden. Daran wird die Branche nun gemessen. Der
Hauptgeschäftsführer des HDE, Stefan Genth, wirbt deshalb um
Nachsicht. "Die Coronajahre mit den geschlossenen stationären
Geschäften haben der Branche große Umsatzsprünge verschafft. Da ist
es ganz normal, dass die weitere Entwicklung dann nicht in diesem
Tempo weitergehen kann."/cr/DP/zb
ISIN US0231351067 US2786421030 DE000ZAL1111
AXC0036 2024-10-01/06:35
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Autor: - dpa-AFX
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