ROUNDUP 2: Koalitionsstreit über Habecks geplanten Investitionsfonds |
23.10.2024 20:13:00 |
(neu: Lindner im 2. und 7. Absatz)
BERLIN (dpa-AFX) - Mit einem staatlichen Investitions- und
Infrastrukturfonds will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die
lahmende deutsche Wirtschaft wieder in Schwung bringen. "Das würde
den großen Booster für die Volkswirtschaft auslösen, wenn die
Unternehmen jetzt mehr investieren würden", sagte der
Grünen-Politiker in Berlin. Nach seinen Vorstellungen sollen
Unternehmen zehn Prozent aller Investitionen vom Staat erstattet
bekommen. Finanziert werden soll der Fonds mit Schulden.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) stellt die Machbarkeit
infrage. "Der Bundeswirtschaftsminister hat nicht einfach einen
Vorschlag in die Debatte eingebracht, Robert Habeck fordert eine
fundamental andere Wirtschaftspolitik für Deutschland", sagte
Lindner bei einem Besuch in New York. "Das ist schon ein Hammer."
Habeck will "Investitionen mit einer unbürokratischen
Investitionsprämie von zehn Prozent fördern - und zwar für alle
Unternehmen, gerade auch Handwerksbetriebe sowie kleine und
mittelständische Betriebe". Als zweite Säule seiner
"Modernisierungsagenda" will er Energie- und Kommunikationsnetze,
Verkehrswege und Bildungseinrichtungen modernisieren.
Senkung der Stromkosten
Habecks neues Papier sieht auch eine Senkung der hohen Stromkosten
vor, die Unternehmen immer wieder als Standortnachteil nennen.
Profitieren sollen dabei auch private Verbraucher und
Verbraucherinnen, etwa indem die Stromsteuer für alle grundsätzlich
auf das europarechtlich vorgeschriebene Minimum reduziert wird. Auch
die Netzentgelte sollen nach dem Konzept deutlich gesenkt werden.
Dreistelliger Milliardenbetrag auf Pump
Zum finanziellen Umfang eines solchen Fonds wollte sich Habeck nicht
festlegen. Es gebe aber Berechnungen des Bundesverbandes der
Deutschen Industrie (BDI), die eine "mittlere dreistellige
Milliardenzahl" für die nächsten Jahre vorsähen, sagte er in Berlin.
"Also, wir reden hier schon von einem großen Volumen, das dann
allerdings über viele Jahre verausgabt wird." Es gehe um die
Erneuerung der Standortbedingungen in Deutschland. "Die erste Frage,
finde ich, ist nicht: Sind es jetzt 200, 300 oder 400 Milliarden?
Sondern: Wollen wir uns auf den Weg machen?"
Finanziert werden soll dieser Fonds über Schulden - ein Wort, das
Habeck allerdings nicht in den Mund nahm. "Das muss vorfinanziert
werden, ich sehe keine andere realpolitische Möglichkeit", sagte er.
"Ich finde, diese Fondsidee ist auch für diejenigen, die auf einer
strikten Einhaltung der Schuldenbremse bestehen, hoffe ich
jedenfalls, ein gangbarer Weg, weil es eine begrenzte Verabredung
ist." Es gehe nicht um eine prinzipielle Öffnung der Schuldenbremse.
In seinem Papier nennt er die Schuldenbremse "in ihrer jetzigen Form
eine Investitions- und Wachstumsbremse".
Lindner verweist auf begrenzte Gelder und EU-Recht
Lindner will in seinem Ministerium jetzt prüfen lassen, was von dem
Vorschlag überhaupt theoretisch umsetzbar sei - erst dann könne man
in der Sache diskutieren. Unter anderem seien europäisches
Beihilferecht und Fiskalregeln zu beachten. "Wir können schlicht
nicht einfach so viel Geld ausgeben, wie manche wollen." Zugleich
betonte Lindner: "In jedem Fall ist aber klar, dass genau diese
Unsicherheit über die weiteren Rahmenbedingungen der deutschen
Wirtschaft selbst Teil der Probleme unseres Landes geworden ist."
Die stellvertretende FDP-Vorsitzende und Bundesbildungsministerin
Bettina Stark-Watzinger sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Es ist
kein überzeugendes Konzept, der deutschen Wirtschaft über
beispiellos hohe Steuern und Abgaben Geld zu entziehen und es dann
über einen Staatsfonds umzuverteilen."
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bezeichnete den Vorschlag als
"kurzsichtig und nicht zielführend". Denn "wahllos Subventionen
auszuzahlen und dafür hunderte Milliarden Euro an neuen Schulden
anzuhäufen kann unseren Wirtschaftsstandort nicht nachhaltig
stärken." Nötig seien umfassende Reformen zur Verbesserung der
Standortbedingungen und Entfesselung des privaten Kapitals.
Habeck hatte bereits im Februar ein milliardenschweres
Sondervermögen zur Entlastung von Firmen vorgeschlagen. Lindner wies
den Vorstoß damals zurück.
Kritik auch von der Opposition
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion,
Thorsten Frei, warf dem Wirtschaftsminister in der "Rheinischen
Post" vor, er wolle den Weg in die Staatswirtschaft weitergehen.
"Mit einer geradezu unglaublichen Staatsgläubigkeit und der
Bereitschaft zum Interventionismus, wird er aber eben gerade nicht
wirtschaftliche Erholung und Wachstum erreichen, sondern vor allem
mehr Bürokratie", sagte der CDU-Politiker.
Zustimmung aus der Wirtschaft
Eher positive Reaktionen kamen aus der Wirtschaft. "Robert Habeck
zeigt, dass er verstanden hat, wo die Probleme in Deutschland
liegen", erklärte der Direktor des Instituts der Deutschen
Wirtschaft, Michael Hüther. Er habe die Themen richtig benannt.
"Ungeklärt bleibt aber die Finanzierung."
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz
Schularick, bescheinigte Habeck, er bringe dringend benötigten
Schwung in die Debatte um die notwendigen Veränderungen der
deutschen Volkswirtschaft. "Das ambitionierte Papier setzt zu Recht
auf eine angebotsseitige Stärkung der deutschen Wirtschaft, um
Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen."
Dagegen bezeichnete Marie-Christine Ostermann, die Präsidentin des
Verbandes der Familienunternehmer, die Vorschläge als "weitere
Nebelkerze". Um der Wirtschaft zu helfen, sollte Habeck
Strukturreformen auf den Weg bringen. "Kurzfristig wäre die
Soli-Abschaffung ein Investitionsbooster."/sk/hrz/brd/bf/DP/he
AXC0288 2024-10-23/20:13
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Autor: - dpa-AFX
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