ROUNDUP 2/Leerstand als Gelegenheit: Innenstädte doch mit Zukunft? |
19.11.2024 11:09:00 |
(neu: Angaben zum Filialnetz)
PLOCHINGEN/BERLIN (dpa-AFX) - Aus Deutschlands Innenstädten kamen in
den vergangenen Jahren viele schlechte Nachrichten: Die Kauflaune
der Menschen ist im Keller, die Umsätze dümpeln vor sich hin,
bekannte Händler sind pleite und Leerstand prägt vielerorts das
Bild. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht. Es gibt aber auch
Gegenbewegungen: Jüngstes Beispiel ist der Sportartikelhändler
Decathlon. Mehr als 60 neue Filialen will das französische
Unternehmen bis Ende 2027 in Deutschland eröffnen - viele davon in
zentralen Fußgängerzonen.
Decathlon-Deutschland-Chef Arnaud Sauret sagte der Deutschen
Presse-Agentur: "Aktuell haben wir 86 Filialen. In drei Jahren, also
Ende 2027, sollen es mehr als 150 sein". Geplant sei, bis zu 100
Millionen Euro in die Neueröffnungen und die Modernisierung
bestehender Geschäfte zu investieren. Mehrere Tausend neue
Arbeitsplätze sollen entstehen.
Firmenziel: Höchstens 20 Minuten Fahrt zu Decathlon
Decathlon will mit dem Schritt näher an seine Kundinnen und Kunden
rücken. Bislang hat das Unternehmen vor allem Läden, die auf großen
Verkaufsflächen eine breite Produktpalette anbieten. Diese liegen
aber meist außerhalb der Stadtzentren. In Top-Lagen findet man die
Franzosen bislang nicht. Das soll sich nun ändern: Neben den großen
Läden soll es künftig kleinere Geschäfte in Einkaufszentren und
Fußgängerzonen geben - zum Teil mehrere in einer Stadt.
In diesem Jahr plant der Sportartikelhändler noch zwei Eröffnungen:
Eine kleinere Filiale am Potsdamer Hauptbahnhof, eine große im
Hamburger Zentrum. Im Anschluss sollen weitere weiße Flecken auf der
Decathlon-Deutschlandkarte getilgt werden. Im Gespräch sind etwa
Filialen in Nürnberg, Freiburg, Rostock, Oberhausen und der Region
Kassel.
Das Ziel: Ende 2027 sollen Kunden bundesweit in 20 Minuten
Entfernung eine Decathlon-Filiale besuchen können - oder dort
Abholstationen für Bestellungen aus dem Online-Shop finden. "Wir
sind leider nicht überall in Deutschland präsent - obwohl wir
wissen, dass wir eine größere Rolle spielen könnten. Zugleich gibt
es in den Innenstädten sehr viele Gebäude, die einfach leer sind.
Das ist unsere Gelegenheit", sagt Expansionschef Stefan Kaiser.
Wettbewerbsdruck in einem Milliardenmarkt
Der Sportfachmarkt in Deutschland ist einige Milliarden schwer - und
umkämpft. Platzhirsch ist Intersport. Im Geschäftsjahr 2022/23
gehörten dem genossenschaftlich organisierten Verbund mehr als 700
Händler mit insgesamt gut 1400 Geschäften an. Der Umsatz lag bei
rund 3,5 Milliarden Euro. Bis 2030 will Intersport hierzulande
mindestens 100 neue Läden eröffnen, darunter große Premium-Stores.
Der Umsatz soll sich bis dahin fast verdoppeln.
Der zweite große Spieler ist der Einkaufsverbund Sport 2000 mit
ähnlich vielen Läden. Der Umsatz im Jahr 2023: 2,95 Milliarden Euro.
Sport 2000 eröffnet aktuell insbesondere neue Geschäfte, die zum
Beispiel auf Teamsport spezialisiert sind. Die Franzosen - denen
lange der Ruf als Aldi des Sportfachhandels anhing - erlösten
zuletzt gut 1,1 Milliarden Euro.
Decathlon will Marktanteile ergattern
Nun bläst Decathlon zum Angriff: "Wir haben in Deutschland zwei sehr
starke Mitbewerber, die einen tollen Job machen. Aber das
verpflichtet uns, noch besser zu sein. Als Sportler lieben wir die
Challenge", so Sauret. In anderen Ländern Europas sei man bereits
Marktführer - auch, weil es dort ein größeres Filialnetz gebe.
Marktanteil und Umsatz sollen sich durch die Expansion hierzulande
deutlich erhöhen. Konkrete Zahlen nannte der Manager nicht.
Die Branche profitiert laut Johannes Berentzen von der
Handelsberatung BBE vom anhaltenden Trend zu Gesundheit und Sport.
Gesetzt werde gezielt auf die Nachfrage nach Sportmode und eine
stärkere Spezialisierung der Geschäfte. "Mit dem Rückgang kleiner
Fachhändler und dem Wegfall von Modegeschäften und Warenhäusern mit
Sportsortimenten entstehen Marktlücken, die Intersport und Decathlon
strategisch nutzen", erklärt Berentzen.
Viele bekannte Händler haben Probleme
Während asiatische Shoppingportale wie Temu stark zulegen, ist die
Lage vieler etablierter Händler schwierig. Zuletzt haben einige
Unternehmen - auch infolge von Insolvenzen - ihr Filialnetz
ausgedünnt oder gleich alle Läden geschlossen. Die Folgen sind
deutlich zu sehen: Die Warenhauskette Galeria schloss im Sommer
erneut Standorte. Die Modemarke Scotch & Soda machte alle Filialen
dicht, der Kosmetikhändler Body Shop etwa die Hälfte. Bei Esprit
wird in diesen Tagen die letzte Ware abverkauft, bevor die Geschäfte
Ende des Monats schließen. Unklar ist, wie es beim insolventen
Dekohändler Depot weitergeht.
Seit 2015 ist die Anzahl der Einzelhandelsgeschäfte nach Angaben des
Handelsverbands Deutschland (HDE) von 372.000 auf 306.000 gesunken.
Im laufenden Jahr rechnet der HDE mit rund 5.000 Schließungen.
Kreative Konzepte trotzen der Krise
Aber auch abseits der Sportfachhändler gibt es einige Beispiele von
Unternehmen, die es in die Innenstädte zieht: Discounter wie Action,
Tedi und Woolworth wollen ihr Filialnetz in den nächsten Jahre stark
ausweiten. Aber auch MediaMarktSaturn will in diesem Jahr noch fünf
sogenannte Smart-Märkte eröffnen - ein neues und kleines
Ladenformat. Der Elektronikhändler Coolblue plant bis 2029 mit 36
weiteren Filialen. Aktuell gibt es vier.
Zukunftsfähige Konzepte im stationären Einzelhandel sind laut Eva
Stüber vom Institut für Handelsforschung in Köln (IFH Köln) kreativ.
Einige Marken zeigten das exemplarisch: "So ist beispielsweise
Thalia nicht nur online stark unterwegs, sondern auch in den
Innenstädten. Es werden neue Filialen eröffnet,
Traditionsunternehmen weitergeführt und Filialen umgebaut."
Darüber hinaus gebe es auch im herausfordernden Modemarkt
Neueröffnungen: Marken wie Copenhagen, Hugo Boss oder
Marc O'Polo eröffnen Stüber zufolge Flagship-Stores. Hinzu kämen
neue Filialen von Marken des spanischen Konzerns Inditex
(Zara). Und auch Start-ups und Onlinemarken wie das
Schmucklabel Purelei oder die Accessoire-Firma Kapten & Son suchten
die Begegnung mit den Kunden in den Innenstädten./jwe/DP/ngu
ISIN DE000A1PHFF7 ES0148396007
AXC0137 2024-11-19/11:09
|
Autor: - dpa-AFX
|
Copyright dpa-AFX Wirtschaftsnachrichten GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Weiterverbreitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung ohne ausdrückliche vorherige Zustimmung von dpa-AFX ist nicht gestattet. |
|
|
DAX | 19.848,77 | -35,98 | -0,18% |
TecDax | 3.427,73 | 13,92 | 0,41% |
MDAX | 25.705,25 | 155,48 | 0,61% |
Dow Jones (EOD) | 43.297,03 | 390,08 | 0,91% |
Nasdaq 100 | 21.797,65 | 294,48 | 1,37% |
S & P 500 (EOD) | 6.040,04 | 65,97 | 1,10% |
SMI | 11.488,28 | 103,36 | 0,91% |
|
EUR/US$ | 1,0401 | -0,00 | -0,01% |
EUR/Yen | 163,8857 | 0,43 | 0,26% |
EUR/CHF | 0,9360 | -0,00 | -0,01% |
EUR/Brit. Pfund | 0,8300 | 0,00 | 0,11% |
Yen/US$ | 0,0063 | 0,00 | -0,28% |
CHF/US$ | 1,1112 | -0,00 | -0,05% |
|
baha Brent Indication | 73,65 | 0,00 | 0,00 |
Gold | 2.627,55 | 10,49 | 0,40% |
Silber | 29,61 | -0,01 | -0,03% |
Platin | 941,08 | -7,05 | -0,74% |
|
|
|