ROUNDUP 2/Notsituation: Strom-Übergewinne durften abgeschöpft werden |
28.11.2024 14:02:00 |
(neu: mehr Details und Hintergrund)
KARLSRUHE (dpa-AFX) - Hohe Stromkosten für Verbraucher auf der einen
Seite, satte Gewinne für manche Stromerzeuger auf der anderen Seite
- in der durch den Ukrainekrieg ausgelösten Energiekrise ließ der
Bund teils sogenannte Überschusserlöse von Ökostromerzeugern
abschöpfen. Das war nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts
in dieser besonderen Ausnahmesituation rechtens. Das höchste
deutsche Gericht wies Verfassungsbeschwerden von 22 Betreibern von
Windkraft-, Photovoltaik- und Biomassenanlagen gegen die im Rahmen
der Strompreisbremse eingeführte Regelung zurück.
Strom ist ein besonderes Gut
Ziel der mittlerweile ausgelaufenen Strompreisbremse war es,
Verbraucher angesichts der Energiekrise bei hohen Strompreisen zu
entlasten. Übergewinne der Betreiber von Ökostromanlagen wurden von
Dezember 2022 bis Juni 2023 teils abgeschöpft.
Das war in der Krise mit "ganz außergewöhnlicher Dimension" auch
rechtens, entschieden die Karlsruher Richter. Strom sei ein
unverzichtbares Gebrauchsgut. Durch die Umverteilung der erzielten
Übergewinne sei ein angemessener Ausgleich zwischen den
außerordentlich begünstigten Stromerzeugern und den erheblich
belasteten Stromverbrauchern hergestellt worden.
"Kostenschock" für Bürger
Verbraucher hätten angesichts einer Verzehnfachung des Preises in
der Spitze im August 2022 gegenüber dem Durchschnittspreis im Jahr
2021 einen "Kostenschock" erlitten. Die Situation sei wegen der
Unsicherheiten über die Möglichkeit, eine bezahlbare
Energieversorgung der Unternehmen und privaten Haushalte
aufrechterhalten zu können, als außergewöhnliche Notsituation
eingestuft worden, so das Gericht.
Ökostromerzeuger profitierten von hohen Gaspreisen
Unter anderem Ökostromanbieter erzielten damals Erlöse, die deutlich
über den erwartbaren Gewinnen der Unternehmen lagen. Im Gesetz ist
von Überschusserlösen die Rede. Ursache waren die extrem hohen
Gaspreise infolge des russischen Angriffskriegs. Weil Gaskraftwerke
oft als teuerste Kraftwerke am Strommarkt den Preis für alle anderen
Kraftwerke setzen, profitierten auch andere Erzeugungsarten von den
hohen Preisen, während ihre Kosten etwa gleich blieben.
Eingriff in die Berufsfreiheit
Die betroffenen Ökostromerzeuger wollten die Abschöpfung nicht
hinnehmen. Aus ihrer Sicht war sie verfassungswidrig. Die
Bewältigung der Energiekrise sei Verantwortung des Staates, und
daher aus Steuermitteln zu finanzieren. Wären die Karlsruher Richter
dieser Einschätzung gefolgt und hätte das Gesetz rückabgewickelt
werden müssen, hätten womöglich die abgeschöpften Übergewinne in
Höhe von insgesamt rund 750 Millionen Euro an die Betreiber
zurückgezahlt werden müssen.
Aus Sicht der Verfassungsrichter griff die Abschöpfung zwar "mit
erheblichem Gewicht in die Berufsfreiheit der betroffenen
Stromerzeuger ein". Der Eingriff werde allerdings etwa durch die
kurze Befristung abgemildert. Zudem sei auf einen wesentlichen Teil
der nach Beginn des Ukrainekrieges angefallenen außergewöhnlichen
Erträge nicht zugegriffen worden. Der Eingriff in die Berufsfreiheit
sei deshalb gerechtfertigt und verfassungsgemäß gewesen.
Staat verschaffte sich keine Mehreinnahmen
Bei der Maßnahme habe es sich weder um eine Steuer noch um eine
nicht-steuerliche Abgabe gehandelt, erklärte der Erste Senat des
Bundesverfassungsgerichts. Denn die Abschöpfungsbeiträge hätten dem
Bund keine Einnahmen verschafft. Vielmehr wurden die Beträge etwa
über die Netzbetreiber bis zu den Verbrauchern "gewälzt". Es handele
sich um eine "Umverteilung unter Privaten".
Enttäuschte Ökostromerzeuger
Bei den Beschwerdeführern gab es nach dem Urteil enttäuschte
Gesichter. "Wir hätten uns ein anderes Urteil gewünscht", sagte Marc
Wallraff von der Lichtblick Solarpark Calbe GmbH & Co.KG. Es sei den
Klägern nicht ums Geld gegangen, versicherte er, sondern um klare
Regelungen.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer drang nach dem Urteil
darauf, Eingriffe in den Strompreis sollten dringend unterbleiben.
"Ein Preissignal ohne politische Eingriffe ist zentral, damit es auf
dem Strommarkt zum sicheren Ausgleich von Angebot und Nachfrage
kommt", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Achim
Dercks. "Betreiber von Kraftwerken und erneuerbaren Energien
benötigen zudem die Sicherheit, dass die Politik nicht nachträglich
durch Eingriffe Investitionen entwertet."/jml/DP/jha
ISIN DE000ENAG999 DE0007037129 DE000UNSE018
AXC0152 2024-11-28/14:02
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Autor: - dpa-AFX
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