ROUNDUP 2: Habeck kontert Vorwürfe zum Atomausstieg |
16.01.2025 17:03:00 |
BERLIN (dpa-AFX) - Wenige Wochen vor der Bundestagswahl hat
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Untersuchungsausschuss
des Bundestags Vorwürfe zum Atomausstieg gekontert. Der
Grünen-Kanzlerkandidat wehrte sich gegen Anschuldigungen, er und
sein Ministerium hätten im Jahr 2022 in der Energiekrise nach dem
Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine einen
Weiterbetrieb der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland nicht
ergebnisoffen geprüft. "Es gab keine Denkverbote", sagte Habeck.
Der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke sei ohne ideologische
Vorfestlegungen und ergebnisoffen geprüft worden. Die einzige Frage
sei gewesen, ob es der Versorgungssicherheit helfe und umsetzbar
sei.
Union und FDP werfen Habeck sowie Umweltministerin Steffi Lemke
(Grüne) vor, den Weiterbetrieb nicht "ergebnisoffen" und
"unvoreingenommen" geprüft, sondern aus ideologischen Gründen
entschieden zu haben. Dies habe mit beigetragen zu höheren
Strompreisen.
Habeck geht in Offensive
Habeck war im U-Ausschuss als vorletzter Zeuge vor Kanzler Olaf
Scholz (SPD) geladen. Der Grünen-Kanzlerkandidat trat angriffslustig
auf und ging mehrfach in die Offensive. Er warf den unionsgeführten
Vorgängerregierungen vor, Deutschland in eine gefährliche
Abhängigkeit von russischem Gas geführt zu haben. Erst die
Ampel-Regierung habe 2022 die Gas-Pipeline Nord Stream 2 aus
Russland gestoppt, die die Lage noch weiter verschärft hätte. Es
müsste eigentlich das Handeln der damaligen Bundesregierung nach der
Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 untersucht werden. Die
im Jahr 2022 drohende Gasmangellage sei von manchen Akteuren
vorgeschoben worden, um den Atomausstieg zu revidieren.
Eine längerfristige Laufzeitverlängerung hätte auf Drängen der FDP
dann bis zum Jahr 2024 gereicht, sagte Habeck. "Das wäre also der
Wiedereinstieg in die Atomkraft gewesen." Mit neuen Brennstäben
hätte man die Atomkraftwerke nach seinen damaligen Informationen
wohl drei bis fünf weitere Jahre laufenlassen müssen.
Vorhaltungen von Ausschuss-Mitgliedern konterte Habeck. So warf er
dem Ausschussvorsitzenden Stefan Heck (CDU) vor, Aussagen nicht mit
Akten belegen zu können und Beweismaterial falsch zusammengefasst zu
haben.
Atomkraftwerke länger laufenlassen?
Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine war
die Bundesregierung alarmiert wegen der hohen Abhängigkeit von
fossilen Energien aus Russland. Zudem wurden Forderungen laut, die
drei noch verbliebenen Kernkraftwerke über das Jahresende 2022
hinaus am Netz zu lassen. Im Jahr 2011 hatte die damalige
schwarz-gelbe Regierung nach der Nuklearkatastrophe im japanischen
Fukushima einen schrittweisen deutschen Atomausstieg bis Ende 2022
beschlossen.
Was hätte ein Weiterbetrieb gebracht?
Im März 2022 ergab eine gemeinsame Prüfung von Wirtschafts- und
Umweltministerium, dass eine Verlängerung der Laufzeiten der noch
verbliebenen Atomkraftwerke nur einen "sehr begrenzten Beitrag zur
Lösung des Problems leisten könnte, und dies zu sehr hohen
wirtschaftlichen Kosten, verfassungsrechtlichen und
sicherheitstechnischen Risiken".
Habeck erklärte, noch im Frühjahr 2022 hätten die Chefs der drei
Betreiber der damals noch laufenden Atomkraftwerke gesagt, mit den
vorhandenen Brennelementen sei ein Weiterbetrieb über das Jahresende
hinaus und damit im Winter nur möglich, wenn diese im Sommer
heruntergefahren würden. Die Folge wären aber keine zusätzlichen
Strommengen gewesen. Die Folge wäre gewesen, im Sommer mehr Gas zur
Stromproduktion einzusetzen. Das wäre wegen ausbleibender russischer
Gaslieferungen aber riskant gewesen.
Habeck: Hütte brannte "lichterloh"
Habeck sagte mit Blick auf die Energiekrise, ein möglicher
Weiterbetrieb der Atomkraftwerke sei zu der Zeit nur eins von
mehreren Themen gewesen. "Die Hütte brannte ja lichterloh." Er
verwies zum Beispiel auf den Einkauf von Gas und den Bau von
Flüssigerdgas-Terminals an deutschen Küsten. Er habe in dem
Krisenjahr in der "bestehenden Notlage" viele Entscheidungen
getroffen. Es sei gelungen, die Bürgerinnen und Bürger und die
Wirtschaft zu schützen.
Im Sommer habe sich die Einschätzung zu Strommengen der
Atomkraftwerke verändert. So habe sich die Lage auf den
Energiemärkten verschlechtert. Zudem hätten die Betreiber der
Atomkraftwerke Aussagen zu potenziellen Strommengen schrittweise
korrigiert, so Habeck. Anders als im März von Betreiberseite noch
mitgeteilt worden war, stünden bei einem Streckbetrieb doch
zusätzliche Strommengen zur Verfügung. Habeck schlug dann vor, zwei
der drei Meiler bis Mitte April 2023 in Reserve zu halten und bei
Bedarf weiter für die Stromerzeugung zu nutzen.
Streit in Ampel
Die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland liefen letztlich ein
paar Monate länger als ursprünglich geplant - der Atomausstieg
verschob sich vom 31. Dezember 2022 auf den 15. April 2023. Davor
hatte es nach einem Streit innerhalb der damaligen Ampel-Koalition
ein Machtwort von Kanzler Scholz am 17. Oktober 2022 gegeben.
Über ein Treffen zwischen Scholz, dem damaligen Finanzminister
Christian Lindner (FDP) und ihm einen Tag zuvor sagte Habeck,
Lindner habe damals gesagt, er müsste gezwungen werden, eine
Entscheidung zu akzeptieren, die nicht auf eine längerfristige
Verlängerung der Laufzeit der verbliebenen deutschen Atomkraftwerke
hinauslaufe.
Der Streit im Herbst 2022 drehte sich darum: Die Grünen wollten die
beiden süddeutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis
zum 15. April in Reserve halten und bei Bedarf weiter für die
Stromerzeugung nutzen. Das dritte noch verbleibende AKW Emsland
hingegen sollte zum 1. Januar 2023 endgültig abgeschaltet werden.
Die FDP verlangte angesichts der stark gestiegenen Energiepreise
dagegen einen Weiterbetrieb aller drei Kraftwerke bis ins Jahr 2024
und gegebenenfalls die Reaktivierung bereits stillgelegter AKW.
Lindner sagte am Mittwoch im Ausschuss, bei den Grünen sei die
Bereitschaft zu undogmatischen Entscheidungen bei der Frage der
Kernenergie an Grenzen gestoßen.
Union und FDP sehen Täuschungsmanöver
Der Ausschuss-Vorsitzende Heck warf Habeck vor Beginn der Sitzung
vor, es habe nie eine ergebnisoffene Prüfung gegeben. "Im Gegenteil:
Es war ein großangelegtes Täuschungsmanöver." Es habe im
Wirtschafts- sowie Umweltministerium immer wieder Hinweise und
fachliche Einschätzungen von Referenten und Referatsleitern zu der
Frage gegeben, ob Kernkraftwerke länger am Netz bleiben sollen.
Positive Bewertungen seien, als sie die politische Ebene erreicht
hätten, so abgeändert worden, dass sie der politischen Richtung, der
Ideologie von Habeck entsprochen hätten.
Der FDP-Politiker Frank Schäffler sagte, es sei deutlich geworden,
dass die Grünen das Land "hinter die Fichte" geführt hätten. Sie
hätten immer wieder Sand ins Getriebe gestreut, sagte er mit Blick
auf Prüfungen zum Weiterbetrieb der Atomkraftwerke.
In den vergangenen Wochen und Monaten wurden bereits zahlreiche
Zeugen im Ausschuss befragt. Ein Abschlussbericht, der
Stellungnahmen aus allen Fraktionen enthalten soll, soll noch im
Februar der Bundestagspräsidentin vorgelegt werden./faa/DP/stw
ISIN DE000ENAG999 DE0007037129 DE0005220008
AXC0247 2025-01-16/17:03
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Autor: - dpa-AFX
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