ROUNDUP/Spahn-Bericht: 'Team 'Ich'' und viele Risiken |
24.06.2025 15:44:00 |
BERLIN (dpa-AFX) - Der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn ist in
der Corona-Krise laut einer Untersuchung "gegen den Rat seiner
Fachabteilungen" in großem Umfang in die Schutzmasken-Beschaffung
eingestiegen. Die Entscheidung des CDU-Politikers, die Beschaffung
allein meistern zu wollen, ziehe bis heute "erhebliche Kosten und
Risiken" nach sich, heißt es in dem Bericht der Sonderermittlerin
Margaretha Sudhof. Das Gesundheitsministerium unter der heutigen
Ressortchefin Nina Warken (CDU) distanzierte sich von dem
Sonderbericht. Spahn ist heute Chef der CDU/CSU-Fraktion.
Das Gesundheitsministerium hatte den bereits seit Monaten
vorliegenden Bericht erst Anfang der Woche mit geschwärzten Passagen
an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Bundestags gemailt.
Sudhof war noch von Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD)
eingesetzt worden. Lauterbach und Warken veröffentlichten den
Bericht zunächst nicht. Warkens Begründung: Der Bericht betreffe
auch laufende Gerichtsprozesse und enthalte personenbezogene Daten.
Der rund 170 Seiten starke Bericht liegt der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin vor.
"Bis heute erhebliche Kosten und Risiken"
Die Sonderermittlerin, vormals Staatssekretärin in mehreren
Ministerien, stellt fest, nach Spahns Entscheidung zur
Corona-Schutzmaskenbeschaffung habe eine Leistungsvergabe "in
kürzester Zeit und in bis dahin nicht vorgesehenem Volumen"
begonnen. Innerhalb weniger Wochen seien Verträge im Wert von mehr
als 11,6 Milliarden Euro geschlossen worden. Als problematisch
werden etwa Lieferverträge ohne weitere Verhandlungen zu festen,
hohen Preisen genannt. Wegen erheblicher Lieferausfälle seien dann
tatsächlich viel weniger Haushaltsmitteln gebraucht worden.
Allerdings gebe es unter anderem Haushaltsrisiken aus laufenden
Rechtsstreitigkeiten von 2,3 Milliarden zuzüglich Zinsen von knapp
bis zu 1,4 Milliarden Euro.
Den damals Verantwortlichen der Ministerien und Dienststellen
bescheinigt die Sonderermittlerin, "jenseits der persönlichen
Rücksichtnahme Unvorstellbares" zu leisten gehabt zu haben. Doch sie
schreibt auch: "Viele Aktivitäten gingen an die Grenze der
rechtlichen Vorgaben, was in der Gesamtheit durchaus Fragen
aufwirft." So seien Expertisen unter anderem des
Bundesinnenministeriums übergangen worden. Als sich "worst case
Betrachtungen" bewahrheitet hätten, sei im Bund vorhandene Expertise
weiter nicht geholt, sondern weiter auf externe Berater und
Kanzleien vertraut worden.
Keine "bedarfsgerechte Steuerung"
Der "funktionierenden Bundesverwaltung" und den Beschaffungsbehörden
habe Spahn nicht vertraut. So habe es keine "bedarfsgerechte
Steuerung" durch das Ministerium gegeben. "In der Folge wurde über
den im Krisenstab festgelegten Bedarf hinaus beschafft", so die
Juristin Sudhof mit Blick auf den Krisenstab der Regierung.
"Fehlendes ökonomisches Verständnis und politischer Ehrgeiz können"
- so der Bericht "wie in diesem Fall, dazu führen, dass nicht als
Team "Staat", sondern als Team "Ich" gehandelt wird". Mehrere Medien
hatten über Teile des Berichts berichtet.
Sudhof schreibt, das im BMG tätige Team sei bei der Zuspitzung der
Corona-Krise im März 2020 "mangels administrativer Ausstattung und
operativer Vorerfahrung" "völlig überfordert" gewesen. Also habe man
eine Beratungsgesellschaft beauftragt - zunächst nur zum
Zusammentragen der inzwischen angefallenen Daten. An den Berater sei
die Beschaffung dann quasi komplett "outgesourced" worden. Über
mehrere Seiten vollzieht der Bericht im Einzelnen die Schritte und
Kosten nach und betont, die entsprechenden Arbeitspakete hätten
"also das übliche operative Geschäft einer Beschaffungsbehörde"
umfasst.
Spahn "intervenierte persönlich"
"Die Fachebene des BMG (Bundesgesundheitsministeriums) versuchte
durchaus, den Bundesminister davon zu überzeugen, dass mangels
Expertise und Personal die Beschaffung nicht ins Haus geholt,
sondern bei den Beschaffungsbehörden verbleiben sollte", schreibt
Sudhof. "Dies jedoch vergeblich. Der damalige Bundesminister
intervenierte immer wieder persönlich und nutzte seine Kontakte."
Kritik der neuen Ministerin
In einer Stellungnahme kritisiert das Gesundheitsministerium unter
Warken den Sudhof-Bericht deutlich. Deren Aussagen mache man sich
nicht zu eigen, so das an die Bundestags-Haushälter gerichtete
BMG-Papier, das der dpa vorliegt. Einzelnen Aussagen wird
widersprochen. Methodik und Quellen blieben unklar, Tatsachen seien
teilweise "durch Quellen nicht untermauert". Spahn solle nie befragt
worden sein.
"Als solle ein Parteifreund geschützt werden"
An diesem Mittwoch wollen sich Spahn und Warken den Fragen im
Haushaltsausschuss stellen. Der Linken-Haushaltspolitiker Dietmar
Bartsch kritisierte "die teilweise seitenweise Schwärzungen" im
Sudhof-Bericht durch das Ministerium. "Die Gesundheitsministerin
sollte die politischen Spielchen beenden und den Maskenbericht
vollständig veröffentlichen", sagte er der dpa. Der Eindruck
entstehe, als solle ein Parteifreund geschützt werden. "Das
untergräbt das Vertrauen in die Politik insgesamt."
Die Grünen wollen die Vorwürfe gegen Spahn zum Thema im Plenum
machen. Die Partei will eine Aktuelle Stunde mit dem Titel "Volle
Transparenz und Aufklärung zu den Maskendeals von Jens Spahn"
beantragen. "Statt weitere Nebelkerzen zu zünden, brauchen wir eine
umfassende parlamentarische Aufklärung zu den Maskendeals von Jens
Spahn", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Irene Mihalic
der dpa./bw/sam/tam/DP/jha
AXC0242 2025-06-24/15:44
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Autor: - dpa-AFX
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