ROUNDUP 3: Abrupte Kehrtwende in Nahost: Waffenruhe statt Eskalation |
24.06.2025 16:47:00 |
(neu: mehr Details und Hintergrund)
WASHINGTON/TEHERAN/TEL AVIV (dpa-AFX) - Gerade noch hielt die Welt
den Atem an, ob der Krieg zwischen Israel und dem Iran nun aus dem
Ruder läuft - da verkündete US-Präsident Donald Trump das Ende des
"Zwölftagekriegs". Nur zwei Nächte zuvor hatte er die extrem
gesicherten iranischen Atomanlagen mit den stärksten nicht atomaren
Bomben der Welt angreifen lassen. Doch dann wendete sich das Blatt.
Ein Angriff als Beginn der Entspannung
Zunächst schienen sich die schlimmsten Befürchtungen zu
bewahrheiten, als der Iran am Montagabend als Vergeltung die größte
US-Militärbasis in der Region in Katar mit Raketen angriff. Was
zunächst als Ausweitung des Krieges auf die ganze Region erschien,
entpuppte sich aber bald als ein eher symbolischer Angriff zur
Gesichtswahrung Teherans.
Tatsächlich dürfte ein Ende des Krieges den Interessen Israels und
vor allem aber des Irans entsprechen. Das Land war dem militärisch
stark überlegenen Israel zuletzt fast schutzlos ausgeliefert. Ob der
Krieg aber wirklich dauerhaft beendet sein wird, bleibt ungewiss.
Denn vor allem der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern
ist weiter völlig ungelöst.
Trump dankt dem Iran
Trump verkündete, der Iran habe vor dem Angriff in Katar die USA
gewarnt. Dafür danke er der Regierung in Teheran, es habe keine
Verletzten oder Tote gegeben, schrieb er auf seiner Plattform Truth
Social. Katar betonte, die Luftabwehr habe alle Raketen abgefangen.
Den Berichten zufolge stimmten sowohl der Iran als auch Israel der
Waffenruhe zu. Als sie sich dann gegenseitig vorwarfen, sie
gebrochen zu haben und weitere Angriffe drohten, platzte Trump der
Kragen. "Diese Typen müssen sich beruhigen", wetterte er im Gespräch
mit Journalisten vor seinem Abflug zum Nato-Gipfel in Den Haag. "Wir
haben zwei Länder, die so lange und so hart gekämpft haben, dass sie
nicht wissen, was zum Teufel sie da tun." Im Englischen sagte Trump
wörtlich: "They don't know what the fuck they're doing."
Trump kritisiert Israel ungewöhnlich heftig
Trump machte aber vor allem Israel ungewöhnlich scharfe Vorwürfe,
das ihm mit schweren Luftangriffen auf den Iran noch schnell vor
Beginn der Waffenruhe in die Quere gekommen war. "Sobald wir das
Abkommen (die Waffenruhe) geschlossen hatten, kam Israel heraus und
warf eine Ladung Bomben ab", sagte er. "Ich bin nicht zufrieden mit
Israel." Er sei auch nicht zufrieden mit dem Iran. Aber die
Handlungen Israels machten ihn "wirklich unzufrieden".
Israel greift trotzdem an
Die israelische Luftwaffe griff nach einem Medienbericht dennoch ein
Ziel nördlich der iranischen Hauptstadt Teheran an. Das israelische
Nachrichtenportal "ynet" berichtete unter Berufung auf israelische
Kreise, es sei dort eine Radaranlage beschossen worden. Kurz darauf
wurde dann mitgeteilt, Israel habe nach einem Gespräch Netanjahus
mit Trump auf weitere Angriffe auf den Iran verzichtet.
Noch am Vortag hatte Netanjahu betont, sein Land brauche noch
mehrere Tage, um alle seine Kriegsziele zu erreichen. Die Waffenruhe
kam dann wohl überraschend schnell. Israel wollte nach eigenen
Angaben mit der "Operation Rising Lion" verhindern, dass der Iran
eine Atombombe baut und ballistische Raketen besitzt. Unklar war, ob
diese Ziele erreicht wurden. Aus israelischen Sicherheitskreisen
hieß es, die massiven israelischen Luftangriffe seit dem 13. Juni
und die US-Angriffe mit bunkerbrechenden Bomben hätten das iranische
Atomprogramm um Jahre zurückgeworfen.
Was wird aus Irans Atomprogramm?
Trump stellte einen Wiederaufbau der iranischen Atomanlagen in
Abrede. "Der Iran wird seine Atomanlagen niemals wieder aufbauen",
schrieb der Republikaner auf seiner Plattform Truth Social -
komplett in Großbuchstaben, was eher wie ein Befehl als eine
Feststellung klang.
Aus dem Iran kamen hingegen ganz andere Töne. Man wolle den
Produktionsprozess in den Atomanlagen ohne Unterbrechung fortsetzen,
sagte der Leiter der iranischen Atomenergiebehörde (AEOI) Mohammed
Eslami im Staatssender IRIB. Derzeit werde noch der Schaden an den
Anlagen ermittelt.
Verbleib von 400 Kilogramm unbekannt
Der Iran besitzt laut einem Bericht der Internationalen
Atomenergiebehörde IAEA unter anderem mehr als 400 Kilogramm Uran
mit einem beinahe waffentauglichen Reinheitsgrad von 60 Prozent.
Dessen Verbleib ist unbekannt. Nach Angaben von Diplomaten könnten
damit mehrere Atombomben hergestellt werden, falls das Material noch
weiter auf 90 Prozent angereichert würde, was als relativ kleiner
Schritt gilt. Teheran beharrt darauf, keine Atomwaffen bauen zu
wollen, sondern nur ein ziviles Programm zu verfolgen. Dafür aber
wird kein hochangereichertes Uran gebraucht.
Das Ausmaß der Zerstörung nach den Angriffen Israels und der USA auf
die Atomanlagen des Landes ist auch laut Experten noch unklar. Die
USA hatten etwa die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo mit
bunkerbrechenden Bomben angegriffen. Trump sprach danach von der
vollständigen Zerstörung wichtiger Anlagen. Bestätigt ist das nicht.
Tote bei israelischen Angriffen kurz vor Waffenruhe
Bei israelischen Angriffen kurz vor Beginn einer Waffenruhe wurden
laut iranischen Quellen mindestens neun Menschen in der
nordiranischen Stadt Rascht getötet. 33 Menschen seien bei dem
Angriff auf ein Wohnviertel verletzt worden, schrieb die
Nachrichtenagentur Tasnim. Staatsmedien berichteten zudem, dass ein
ranghoher iranischer Atomwissenschaftler am Morgen bei israelischen
Angriffen getötet worden sei.
Vier Tote in Israel durch iranische Raketen
Kurz vor der Waffenruhe feuerten auch die mächtigen
Revolutionsgarden noch sechs Raketensalven auf Israel ab. Dabei
wurden laut einem örtlichen Rettungsdienst in Beerscheva mindestens
vier Menschen getötet und 20 weitere verletzt. Es war die längste
iranische Raketenangriffswelle seit Beginn des Krieges.
Viele Opfer und hohe Schäden
Insgesamt wurden im Iran, wo es kaum Schutzräume gibt, seit Beginn
der israelischen Angriffe nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten
950 Menschen getötet und 3.450 verletzt. Offizielle Stellen im Iran
sprachen hingegen von 610 Toten und 4.746 Verletzten. In Israel gab
es 28 Tote und mehr als 1.300 Verletzte durch iranische Raketen.
Auch die materiellen Schäden sind in beiden Ländern hoch.
Katar vermittelte Vereinbarung zur Waffenruhe
Übereinstimmenden US-Medienberichten zufolge kam die Waffenruhe auch
dank der Vermittlung des Emirats Katar zustande. Katar unterhält
sowohl zum Iran als auch zu den USA gute Beziehungen. "Das ist ein
Krieg, der noch Jahre hätte andauern können, und der den ganzen
Nahen Osten hätte zerstören können, aber so kam es nicht - und wird
es nicht kommen", schrieb Trump auf Truth Social. Die von Trump
vorgeschlagene Bezeichnung "Zwölftagekrieg" scheint sich an den
"Sechstagekrieg" von 1967 zwischen Israel, Ägypten, Jordanien und
Syrien anzulehnen.
Waffenruhe wäre ein Erfolg für Trump
Falls die Waffenruhe wie von Trump beschrieben funktionieren sollte,
wäre dies ein Erfolg für den US-Präsidenten. Trump wollte
verhindern, dass der Iran Atomwaffen entwickeln kann. Dabei setzte
er zunächst auf Verhandlungen mit Teheran. Für den Fall eines
Scheiterns drohte er mehrfach mit Angriffen - doch war klar, dass
Trump eigentlich keinen Krieg wollte. Der Republikaner wollte die
USA nicht erneut in einen Konflikt im Nahen Osten verwickeln und
sich lieber auf seinen innenpolitische und wirtschaftliche Agenda
konzentrieren. Das will er, wie er auf Truth Social ankündigte, nun
auch tun.
Machterhalt für iranische Führung
Auch die von Israels Angriffen massiv geschwächte Islamische
Republik wollte vermutlich keine weitere Eskalation des Konflikts.
Experten zufolge hätte ein großer Krieg das Fortdauern der
iranischen Führung um Ajatollah Ali Chamenei selbst bedrohen können.
Israel scheint seine Kriegsziele mit Blick auf das Atomprogramm als
erfüllt anzusehen - und die Führung in Teheran kann sich mit der
Waffenruhe an der Macht halten./ro/DP/jha
AXC0265 2025-06-24/16:47
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Autor: - dpa-AFX
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