ROUNDUP: Große Erbschaften oft steuerfrei - Vorschläge für Reform |
14.09.2025 13:19:00 |
BERLIN (dpa-AFX) - In der von Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU)
ausgelösten Diskussion über die Vermögensverteilung in Deutschland
geht es zunehmend darum, wie Groß-Erben zur Kasse gebeten werden
können. Denn Erbschaften und Schenkungen großer Vermögen bleiben in
Deutschland oft steuerfrei.
463-mal wechselten in den vergangenen zehn Jahren 100 Millionen Euro
oder mehr den Besitzer. In mindestens 258 Fällen, also mehr als der
Hälfte, flossen dafür keine Steuern. Das geht aus der Antwort des
Finanzministeriums auf eine Frage des Linken-Haushälters Dietmar
Bartsch hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Grüne schlagen Reform ohne Risiko für Arbeitsplätze vor
Damit große Vermögen künftig nicht mehr ganz oder weitgehend
steuerfrei vererbt beziehungsweise verschenkt werden können,
schlagen die Grünen eine Reform vor, die Rücksicht auf die
Bedürfnisse von Unternehmen nimmt. "Unser Vorschlag an CDU und SPD
ist, in einem ersten Schritt sehr schnell und kurzfristig die
Ausnahmen abzuschaffen, die aktuell zu großen Ungerechtigkeiten bei
der Erbschaftssteuer führen", sagte die Vorsitzende der
Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, der dpa.
Sie knüpft damit an eine Aussage von Spahn an, der in einer Talkshow
gesagt hatte, die Vermögensverteilung in Deutschland sei ein
Problem.
Steuerbefreiungen gibt es bislang zum Beispiel, wenn
Betriebsvermögen, landwirtschaftliche Betriebe oder Anteile an
Kapitalgesellschaften vererbt oder verschenkt werden. Damit will man
vermeiden, dass Betriebe aufgegeben werden müssen, weil die neuen
Besitzer die Erbschaftsteuer aus dem Privatvermögen nicht zahlen
können.
Diese sogenannten Verschonungsregelungen sollten aus Sicht von Dröge
geändert werden. "Niemand versteht, warum es möglich ist, dass man
bei einem Erbe von 26 Millionen Euro keinen Cent Erbschaftssteuer
zahlen muss, während Menschen, die weniger erben, Steuern zahlen",
erklärte die Grünen-Politikerin. Sie will durch "weitreichende
mehrjährige Stundungsregelungen" dafür sorgen, dass die
Steuerzahlung für Firmenerben machbar ist, ohne dass dadurch
Arbeitsplätze gefährdet sind.
Wenig Echo auf Spahns Aussagen in Union - SPD positiv
Um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verkleinern, sollte man diese
Reform zudem mit gezielten Maßnahmen zur Förderung des
Vermögensaufbaus bei Menschen mit geringem Einkommen verbinden,
sagte Dröge. Ihre Fraktion würde dazu gerne im Bundestag bald
Gespräche führen - allerdings gebe es bislang "noch keine Aussage
der CDU und von Jens Spahn, ob jetzt konkret gehandelt werden
sollte", fügte sie hinzu.
Spahns Bereitschaft, aus der ungleichen Verteilung von Vermögen in
Deutschland politische Konsequenzen zu ziehen, stieß bei den
Wirtschaftsverbänden und in der Union bislang auf ein verhaltenes
Echo, während der Koalitionspartner SPD positiv reagierte.
SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sagte der "Rheinischen Post":
"Wir haben in Deutschland eine extreme Ungerechtigkeit, was die
Verteilung von Vermögen angeht. Jedes Jahr werden 400 Milliarden
Euro in diesem Land vererbt, von denen nur ein ganz kleiner Teil
überhaupt steuerpflichtig ist. Das sorgt für eine massive
Schieflage, die wir seit Jahren anprangern."
Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht aus
Mit Spahn hatte erstmals ein konservativer Spitzenpolitiker eine
Privilegierung Vermögender eingeräumt - womöglich auch mit Blick auf
ein in den kommenden Monaten erwartetes Urteil aus Karlsruhe zur
Erbschaftssteuer.
"Wer schon hatte, hat immer mehr", sagte der CDU-Politiker in der
ZDF-Talkshow "maybrit illner". "Wir hatten in den letzten Jahren,
gerade in der Niedrigzinsphase, die Situation, dass Vermögen
eigentlich ohne größeres eigenes Zutun von alleine fast gewachsen
ist. Immobilienwerte, Aktienwerte und anderes mehr." Spahn fügte
hinzu: "Es ist ein Problem, die Vermögensverteilung."
Der Unionsfraktionschef verwies darauf, dass ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer erwartet werde und die
Koalition die Steuer dann möglicherweise neu regeln werde. Es könnte
sein, dass das Verfassungsgericht die Regierung zu einer Reform
zwingt.
Bartsch: "Rechtlich legal, politisch skandalös"
Für Linken-Haushälter Bartsch ist die Erbschaftsteuer "die
ungerechteste Steuer des Landes". "Wer die größten Vermögen
geschenkt bekommt oder erbt, spart Steuern - wer arbeitet, zahlt
sie", beklagte er. Rechtlich sei es so, dass auf große Vermögen oft
keine Steuern anfielen, politisch sei das skandalös.
"Steuerschlupflöcher bei der Erbschaftsteuer sollten geschlossen,
Vergünstigungen für Unternehmensvermögen abgeschafft werden",
forderte er. Wer die Erbschafts- und Vermögensbesteuerung nicht
reformiere, müsse auch zu Sozialkürzungen schweigen.
Das Steueraufkommen aus der Erbschaftsteuer geht allerdings an die
Länder. CSU-Chef Markus Söder schlug zuletzt vor, auch die
Steuerhöhe in die Hände der Länder zu legen - was Kanzler Friedrich
Merz (CDU) als unrealistisch zurückwies.
Rekordsummen festgesetzt
Trotz der geltenden Ausnahmen haben die Finanzämter im vergangenen
Jahr so viel Erbschaft- und Schenkungsteuer eingefordert wie nie
zuvor: insgesamt 13,3 Milliarden Euro. Das sind 12,3 Prozent mehr
als im Jahr davor. 8,5 Milliarden Euro entfielen auf Erbschaften,
4,8 Milliarden Euro auf Schenkungen.
Diesen Berechnungen zugrunde liegen Erbschaften und Schenkungen von
rund 113,2 Milliarden Euro, die über den Freigrenzen lagen. In den
meisten Fällen ging es dabei um Summen unter einer Million, 27 Mal
wechselten 100 Millionen oder mehr den Besitzer.
Steuern sparen durch Schenken statt Vererben
Die großen Vermögen werden der Statistik zufolge deutlich häufiger
verschenkt als vererbt. In beiden Fällen gelten die gleichen
Steuersätze und Freibeträge: Ein Ehepartner darf Erbschaften oder
Schenkungen im Wert von bis zu 500.000 Euro erhalten, ohne Steuern
zu zahlen. Für Kinder sind 400.000 Euro steuerfrei, bei Enkeln sind
es 200.000 Euro.
Trotzdem lassen sich durch geschickte Schenkungen zu Lebzeiten
Steuern sparen - denn der Freibetrag kann alle zehn Jahre erneut
genutzt werden. Wer früh anfängt, kann enorme Summen übertragen,
ohne den Staat zu beteiligen.
Im Wahlkampf hatte Alexander Dobrindt (CSU) vorgeschlagen, dass
Eigenheime steuerfrei an die nächste Generation übertragen werden
können, wenn sie mindestens zehn Jahre selbst genutzt oder vermietet
werden. Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht jedoch
weder hierzu noch zu anderen Aspekten der Erbschafts- und
Schenkungssteuer Reformen vor./tam/DP/men
AXC0030 2025-09-14/13:19
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Autor: - dpa-AFX
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