Krankenkassen fordern sofortige Kostenbremse |
05.10.2025 14:18:00 |
BERLIN (dpa-AFX) - Die gesetzlichen Krankenkassen drängen die
Bundesregierung, die Versicherten noch vor Beitragserhöhungen zum
neuen Jahr zu bewahren. "Es ist noch nicht zu spät, die Beiträge
stabil zu halten", sagte der Chef des Spitzenverbands, Oliver Blatt,
der Deutschen Presse-Agentur. "Wir hatten in diesem Jahr bisher
enorme Ausgabensteigerungen." Die Ausgaben gingen weit schneller als
die Einnahmen nach oben. "Deshalb müssen wir nach wie vor davon
ausgehen, dass die Zusatzbeiträge Anfang 2026 weiter steigen
werden", warnte Blatt. "Auf politischer Ebene ist bisher nichts
passiert, um das abzuwenden."
Mit einer Welle kräftiger Beitragserhöhungen hatte das laufende Jahr
begonnen. Auch im Jahresverlauf drehte sich die Beitragsspirale mit
einzelnen Erhöhungen weiter. Jetzt berechnet der Schätzerkreis für
die Krankenversicherung die Finanzentwicklung. Bis 15. Oktober soll
seine Prognose vorliegen: Ist die Finanzlücke so groß, dass die
Kassen ihre Zusatzbeiträge wieder erhöhen werden?
Warten auf Warkens Antworten
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will das verhindern. Darüber
liefen Gespräche, sagte sie vor mehr als einer Woche. Ob es doch
noch mehr Haushaltsmittel gibt, ist fraglich. Noch klafft trotz
vorgesehener Finanzspritzen im Etat eine Lücke von vier Milliarden
Euro. Kuriert die Regierung die finanzielle Schieflage noch mit
kurzfristigen Sparregeln?
GKV-Chef Blatt kritisierte: "Hätten wir nur halb so viele
Gesetzesvorschläge auf dem Tisch, wie gerade Kommissionen gebildet
werden, dann hätten wir schon mehr erreicht." Eine
Expertenkommission zur Krankenversicherung soll bis März 2026 erste
Vorschläge vorlegen, eine Arbeitsgruppe zu den Pflegefinanzen noch
im Oktober. Dann gibt es noch die Kommission zum Sozialstaat
generell - Ende des Jahres soll sie Empfehlungen geben. Eine weitere
Expertenrunde zur Rente soll kommendes Jahr folgen.
Die Krankenversicherung fordert eine Ausgabenbremse. Blatt
bekräftigte dafür die Forderung, "die Ausgaben an die Einnahmen zu
koppeln". Der Vorteil laut Blatt: Nirgends müsse etwas weggekürzt
werden. "Wir haben bisher rund 5,5 Prozent mehr Einnahmen als im
Vorjahr." Würden die Ausgaben an die Einnahmen gekoppelt, gäbe es
weiter "Luft für Ausgabensteigungen" - wenn auch nicht mehr
unbegrenzt.
Was die Versicherten zuzahlen müssen
Könnten die Versicherten stärker zur Kasse gebeten werden - etwa in
der Apotheke bei den Zuzahlungen? "Derzeit nehmen die Kassen dadurch
2,6 Milliarden Euro pro Jahr ein", sagte Blatt. Kassenmitglieder
zahlen heute zehn Prozent, mindestens jedoch fünf Euro bei
Medikamenten darüber, höchstens zahlen sie zehn. "Vorstellen könnte
ich mir hier eine inflationsbedingte Anpassung, wie in anderen
Bereichen auch", sagte Blatt, "aber keine deutliche Erhöhung". Denn
die soziale Komponente sei wichtig, niemand dürfe ausgegrenzt
werden.
Und sollte aus Sicht der Krankenkassen gesundheitsschädliches
Verhalten finanziell bestraft werden? Blatt fände das "schwierig".
"An zwei Punkten sollte man aber über eine Änderung diskutieren",
forderte Blatt. "Wieso gehen Abgaben auf Alkohol und Tabak nicht
wenigstens teilweise auch an die gesetzliche Krankenversicherung?"
Die Folgekosten seien enorm. "Bei Rauchen und Alkohol weiß jeder
Konsument, was er tut", sagte Blatt. Gefördert werden könnten mit
dem Geld etwa Prävention und gesundes Verhalten.
Wer zahlt die Krankenkasse bei Bürgergeldbeziehern?
"Es ist auch nicht zu spät, dass die gesetzliche Krankenversicherung
kostendeckende Bundesmittel für die Aufgaben erstattet bekommt, die
sie für den Staat übernimmt", sagte Blatt. Bereits seit Monaten
kämpfen die Kassen insbesondere darum, die Kosten für die
Gesundheitsversorgung der Menschen mit Bürgergeld erstattet zu
bekommen - rund zehn Milliarden Euro pro Jahr.
Doch die Politik soll nach dem Willen der Kassen nicht nur die
Kosten-Notbremse ziehen, sondern auch langfristig das
Gesundheitssystem umbauen. "Hätten wir früher schon die Strukturen
reformiert, dann bräuchten wir jetzt vielleicht keine kurzfristigen
Maßnahmen", sagte Blatt. "Umso wichtiger ist es, jetzt Reformen bei
den großen Kostenblöcken Krankenhäuser und Arzneimittel und auch im
Bereich der Praxen anzugehen."
Krankenhäuser - teure Reformbaustelle
Allein die Kassenausgaben für die Krankenhäuser stiegen im ersten
Halbjahr um 9,6 Prozent auf 54,5 Milliarden Euro. Hinter den
Kulissen ringen Bund und Länder um eine Reform der jüngsten
Krankenhausreform von Warkens Vorgänger Karl Lauterbach (SPD). Blatt
sagte: "Wir leisten uns eine Krankenhausversorgung, die (...)
unglaublich viel Geld verschlingt, und das in Strukturen, die nicht
effizient sind". Die Klinik-Versorgung müsse besser als heute
konzentriert werden.
Selbst teuerste Medikamente werden gezahlt
Aber auch bei den Arzneimitteln fehlt es laut den Kassen rund 15
Jahre nach Einführung einer generellen Kosten-Nutzen-Bewertung durch
ein Gesetz (AMNOG) inzwischen an passenden Regeln. "Wir haben
schnell neue Wirkstoffe - aber auch enorme Kostenanstiege. Wir
brauchen dabei mehr Kostenkontrolle", forderte Blatt.
"Die Solidargemeinschaft ermöglicht selbst teuerste Therapien bis
hin zu einer Pille für eine Million Euro." Mehr als 40.000
Patientinnen und Patienten mit einer speziellen Krankheit bekämen
zum Beispiel Medikamente, die 100.000 Euro oder mehr im Jahr kosten.
"Das ist auch richtig. Aber wir brauchen strengere Möglichkeiten, um
Wirkstoffe nach ihrem tatsächlichen Nutzen zu bewerten."
Standortpolitik, um Hersteller auch mit höheren Preisen nach
Deutschland zu locken, sei nicht Aufgabe der
Beitragszahlenden./bw/sam/DP/he
AXC0019 2025-10-05/14:18
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Autor: - dpa-AFX
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