Trumps Zollpolitik bringt Welthandelssystem ins Wanken |
07.10.2025 09:35:00 |
GENF (dpa-AFX) - Die Zölle von US-Präsident Donald Trump verwandeln
den freien Welthandel in ein Zollpoker. Er verkauft Abschottung als
Wachstumsmotor und patriotischen Befreiungsschlag und stürzt
gleichzeitig den Welthandel ins Chaos. Ist dies das Ende des
regelbasierten Welthandels?
Das Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) nennt es einen
"Epochenumbruch". "Mit der aggressiven Zollpolitik brechen die USA
die Welthandelsregeln, die unter ihrer Führung in der Nachkriegszeit
aufgestellt und weiterentwickelt wurden", heißt es in einer Analyse.
Die Welthandelsorganisation (WTO), die die Regeln überwachen soll,
scheint machtlos. "Dies ist der bisher schwerwiegendste Angriff auf
die Grundprinzipien der WTO", schreibt Assistenzprofessor Bruno
Caprettini von der Universität St. Gallen.
Sind die US-Zölle nach den WTO-Regeln illegal?
Für die Jura-Professorin Krista Nadakavukaren Schefer von der
Universität Basel ist klar: Die Zölle brechen Regeln der WTO. Sie
sagt: "Es scheint mir, als wolle er (Trump) einfach zeigen, dass er
ohne irgendwelche Grenzen - und ganz besonders ohne das Völkerrecht
- agieren kann und agieren wird."
Das Argument der nationalen Sicherheit hatte Trump schon in seiner
ersten Amtszeit bemüht, als er Zölle auf Stahl und Aluminium erhob.
Ein WTO-Schiedsgericht hat dies zurückgewiesen (Fall DS564). Zölle,
weil die USA nach Trumps Lesart von Handelspartnern jahrelang über
den Tisch gezogen wurden, oder wegen einer Politik, die ihm nicht
passt - etwa im Fall Brasilien oder Kanada - hätten da kaum eine
Chance auf Bestand.
Was kann die WTO tun, wenn ein Land die Regeln verletzt?
Mitgliedsländer können den Streitschlichtungsmechanismus (DSB)
anrufen. Ein Land, das sich wegen neuer Handelshürden im Nachteil
sieht, kann den Fall vor den DSB bringen, Schlichter beurteilen das.
Bislang haben Mitgliedsländer deren Urteile akzeptiert. Sie haben
dann Zölle oder andere ungerechtfertigte Hemmnisse abgebaut oder
mussten Gegenzölle in Kauf nehmen.
Das System liegt allerdings teils brach, weil die USA seit 2016 -
vor Trumps erster Amtszeit - die Ernennung neuer Experten für das
DSB-Berufungsgremium blockieren. Sie verlangen DSB-Reformen. Dadurch
bleiben Streitfälle ungelöst. Denn: Wer mit einem Urteil nicht
einverstanden ist, geht in Berufung, das geht aber ins Leere, weil
niemand darüber befinden kann. Das haben die USA bei der Niederlage
im Stahl- und Aluminium-Streitfall DS564 gemacht.
Warum wird der DSB dann nicht reformiert und läuft wieder?
Weil dieser Streitpunkt im Kontext wachsender Rivalität zwischen
westlichen Demokratien und autokratischen Staaten wie Russland oder
China zu sehen ist, unter anderem in Handelsfragen. Das Vertrauen
unter den WTO-Mitgliedern ist erschüttert, der freie Welthandel für
viele nicht mehr der Königsweg.
Länder verlegen ihre Lieferketten in befreundete Staaten oder
erschweren den Handel mit Spitzentechnologien, Protektionismus ist
wieder in Mode. Die einen monieren intransparente Subventionen wie
in China, die anderen die Subventionen etwa durch das
US-Konjunkturprogramm für saubere Energie (IRA) oder den Green Deal
der EU, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen.
Was kann die sonst WTO tun?
Wenig. China und Kanada haben den DSB zwar wegen der neuen US-Zölle
angerufen. Aber die USA könnten ein Urteil der Streitschlichter
sowieso wieder ignorieren, wenn sie in Berufung gehen, die nicht
gehört werden kann. Gut 30 WTO-Mitglieder haben sich auf einen
anderen Berufungsmechanismus zur Lösung von Problemfällen (MPIA)
geeinigt, aber der ist freiwillig. Die EU und China sind dabei,
nicht aber die USA. Was sie von der WTO halten, zeigen sie auch
konkret: Bislang haben sie ihre Beiträge für 2024 noch nicht
bezahlt.
Was ist mit regelbasiertem Welthandel gemeint?
Es geht darum, wer was wie an wen exportieren kann, unter welchen
Bedingungen. Ab 1948 galten die Regeln des Allgemeinen Zoll- und
Handelsabkommens (Gatt), das 1995 in die WTO überging. Sie hat heute
166 Mitgliedsstaaten, die 98 Prozent des Handels weltweit abwickeln.
Ihre Mitglieder vereinbaren einheitliche Regeln für technische
Normen, die Öffnung von Märkten, den Schutz geistigen Eigentums, den
Abbau von Bürokratie und in jüngerer Zeit auch soziale, ökologische
und Klima-Anliegen. Mit Zöllen kann ein Land seine Wirtschaft nur in
beim WTO-Eintritt festgelegten Rahmen schützen. Änderungen sind nur
unter strikten Regeln erlaubt.
Wie geht es weiter?
Einen radikalen Vorschlag machen die Wirtschaftsprofessoren Henrik
Horn und Petros Mavroidis in einem Beitrag für das europäische
Analyseinstitut Centre for Economic Policy Research (CEPR): "Die
beste Option für die WTO und für die Weltwirtschaft wäre, dass die
USA ihre WTO-Verpflichtungen einhalten. Dies scheint jedoch
unwahrscheinlich", schreiben sie. "Wir sind daher der Ansicht, dass
es aus Sicht der WTO am besten wäre, wenn die USA aus der
Organisation austreten würden."
Das Ifo-Institut rät der EU, sich unabhängiger vom US-Markt zu
machen, etwa durch eine Vertiefung des EU-Binnenmarktes. "Eine
stärkere Integration könnte nicht nur Teile der Verluste im
US-Handel kompensieren, sondern auch die europäische
Widerstandsfähigkeit in einer zunehmend volatilen und fragmentierten
Weltwirtschaft stärken", schreibt es./oe/DP/zb
AXC0067 2025-10-07/09:35
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Autor: - dpa-AFX
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