ROUNDUP 2: Autoindustrie soll mehr Spielräume bekommen |
09.10.2025 17:21:00 |
(neu: Details und Hintergrund.)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Bundesregierung will die kriselnde deutsche
Autobranche stärker unterstützen - mit neuen Kaufanreizen für
Elektroautos und flexibleren Übergängen zu emissionsfreien
Antrieben. "Einen harten Schnitt 2035 darf es nicht geben", sagte
Kanzler Friedrich Merz (CDU) nach einem "Autogipfel" mit
Branchenvertretern in Berlin. Dann soll in der EU ein Verbot für
Neuzulassungen von Verbrenner-Autos greifen, was aber noch auf den
Prüfstand kommt. Von einer neuen E-Auto-Förderung sollen vor allem
Geringverdiener profitieren.
Zu dem Treffen waren Spitzenvertreter von Autoherstellern und
Zulieferern, Verbänden und Gewerkschaft sowie aus Bundesländern mit
Autostandorten eingeladen. Merz betonte, es gebe "ein strategisches
Interesse" daran, eine wettbewerbsfähige, technologisch führende
Autoindustrie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu erhalten und
Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Das sei zum Teil Aufgabe der
Unternehmen, aber teils auch der Politik. Das klang bei früheren
Autorunden im Kanzleramt ähnlich. Aber die Lage ist heikel.
Branche unter Druck
Die stark exportorientierte deutsche Autoindustrie mit 770.000
Beschäftigten und 540 Milliarden Euro Jahresumsatz steckt in einer
schwierigen Phase. Die Branche hat mit einer Absatzflaute,
wachsender Konkurrenz aus China und Problemen beim Wandel zur
Elektromobilität zu kämpfen. Dazu kommen EU-Klimaschutzvorgaben für
weniger CO2-Emissionen und Zölle für den US-Markt. Viele Firmen
meldeten Gewinneinbrüche, fahren Sparkurse, streichen Stellen.
Längere Steuerbefreiung
Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) sprach von einer dramatischen Lage.
Es müsse darum gehen, "dass das Auto aus Deutschland eine gute
Zukunft hat". Dabei sei deutlich geworden, dass niemand den Weg
Richtung Elektromobilität infrage stelle. Ein erstes Element
lieferte der Finanzminister vorab: Die Befreiung reiner E-Autos von
der Kfz-Steuer soll bis 2035 verlängert werden. Im Markt gab es
zuletzt Unklarheit, ob eine Befreiung auch für Neuzulassungen ab
2026 greift.
Kaufanreize - aber nicht für alle
Ein zweites Element präsentierte die Regierung nach einer
nächtlichen Sitzung des Koalitionsausschusses direkt am Morgen:
Kommen soll ein Förderprogramm besonders für Haushalte mit kleinen
und mittleren Einkommen, um den Umstieg auf klimaneutrale Mobilität
und emissionsfreie Fahrzeuge zu unterstützen. Ziel seien spürbare
Vorteile für Verbraucher, heißt es im Beschluss. Volumen: drei
Milliarden Euro zusätzlich bis 2029. Die Modalitäten sind noch
unbekannt. In Frankreich gibt es bereits ein Leasing-Programm mit
sozialer Komponente.
Signale zum Verbrenner-Aus
Im Fokus steht auch der Umgang mit dem 2022 beschlossenen Ende für
die Zulassung neuer Verbrenner-Fahrzeuge auf dem EU-Markt ab 2035,
für das nun Überprüfungen anstehen. Die Koalition lag da zuletzt
über Kreuz. Merz sagte nun, Elektroantriebe seien "die Hauptstraße,
auf der gefahren wird." Aber die Markteinführung brauche Zeit, und
er ermutige die Branche, auch weitere Technologien für klimaneutrale
Antriebe voranzutreiben. Und er wolle sich für mehr Flexibilität und
Offenheit in der Regulierung starkmachen. Klingbeil sagte: "Wir
wollen nicht mit dem Kopf durch die Wand." Pragmatismus sei nötig.
"Wir haben heute nicht den Rückwärtsgang in die alte Verbrennerwelt
eingelegt", kommentierte Bundesumweltminister Carsten Schneider
(SPD). "Sondern wir haben einen flexibleren, sozialeren Übergang in
die neue Welt beschrieben."
Branche für mehr Spielraum
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard
Müller, forderte: "Wir brauchen zeitnahe Entscheidungen und dann
auch eine geeinte deutsche Stimme in Brüssel." Nötig seien
Möglichkeiten zur Flexibilisierung, etwa mit kleinen
Verbrennungsmotoren für längere Reichweiten von E-Autos.
IG-Metall-Chefin Christiane Benner forderte unter anderem mehr
Unterstützung bei Ladesäulen, Strompreisen und Kaufanreizen. Die
Beschäftigten bräuchten Perspektiven und "Zuversicht, dass wir an
diesen Standort glauben." VW -Konzernchef Oliver Blume
sagte in einem Video-Interview der Deutschen Presse-Agentur: "Aus
heutiger Perspektive ist das Ziel, wie es für 2035 gesetzt wurde,
unrealistisch. Und deshalb brauchen wir dort mehr Flexibilität."
E-Autos weit von Ziel entfernt
Seit Jahresbeginn wurden mehr rein batterieelektrische Pkw neu
zugelassen. Ihr Marktanteil liegt laut Verband der Internationalen
Kraftfahrzeughersteller in Summe der ersten neun Monate bei rund 18
Prozent. Das reiche nicht, um Ziele beim CO2-Ausstoß zu erreichen.
Das oft genannte politische Ziel von 15 Millionen E-Autos in
Deutschland bis 2030 scheint in weiter Ferne zu sein. Zum 1. Juli
waren laut Kraftfahrt-Bundesamt 1,84 Millionen reine Elektroautos
zugelassen - bei insgesamt 49,53 Millionen Pkw. Das sind 3,7
Prozent.
Experten sehen Standortnachteile
Der Branchenexperte Stefan Bratzel vom Center of Automotive
Management in Bergisch Gladbach sagte: "Wir haben es in der
deutschen Automobilindustrie mit einer Polykrise zu tun." Die
Wettbewerbsfähigkeit des Standortes sei durch ein hohes Kostenniveau
gefährdet. Dazu kämen eine schwache Nachfrage in Europa und der
schwierige Wandel zur E-Mobilität, der Arbeitsplätze koste. Deutsche
Hersteller hätten technologisch aufgeholt - sie hinken laut Bratzel
jedoch kostenmäßig im Vergleich zu chinesischen Konkurrenten
hinterher.
"Position am Weltmarkt entscheidend"
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research
in Bochum erläuterte, in Deutschland würden pro Jahr weniger als
drei Millionen Autos verkauft - weltweit seien es mehr als 80
Millionen. Daher sei die Position am Weltmarkt entscheidend für die
Zukunft. Notwendig sei eine langfristige Innovationsstrategie. Die
Politik müsse aufhören, ständig Debatten über eine Abkehr vom Aus
für neue Verbrenner zu führen. "Das verunsichert Industrie und
Kunden." Auch Bratzel warnte, eine Aufweichung des Verbrennerverbots
würde die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Autoindustrie nicht
verbessern.
Hausgemachte Probleme
Dudenhöffer sagte, viele Unternehmen hätten zu wenig in neue
wesentliche Wertschöpfungsanteile des Fahrzeugs wie die Batterie
investiert. Gleiches gelte bei Halbleitern. In China seien aus
Start-ups Weltmarktführer geworden, so Dudenhöffer. Bratzel sagte:
"Ein großes Versagen der Hersteller und der Politik ist, dass die
Wertschöpfungskette der Elektromobilität nicht entwickelt wurde. Bei
Batteriezellen werden wir noch Jahre abhängig sein von
China."/sam/hrz/hoe/mjm/ruc/DP/men
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AXC0257 2025-10-09/17:21
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Autor: - dpa-AFX
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