| ROUNDUP 2: 'Stadtbild'-Debatte wird zur Belastungsprobe für Koalition |
| 22.10.2025 18:35:00 |
(Neu: Weitere Details)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Bemerkungen von Kanzler Friedrich Merz über
das "Stadtbild", das Sicherheitsgefühl junger Frauen und Migration
wird immer mehr zur Belastungsprobe für die schwarz-rote Koalition.
Nach SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf gibt ihm nun auch sein
Vizekanzler Lars Klingbeil Kontra: "Ich möchte in einem Land leben,
in dem Politik Brücken baut und Gesellschaft zusammenführt, statt
mit Sprache zu spalten", hielt der SPD-Chef dem CDU-Vorsitzenden auf
einem Gewerkschaftskongress in Hannover entgegen. "Und ich sage euch
auch: Ich möchte in einem Land leben, bei dem nicht das Aussehen
darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht."
Man müsse in der Politik "höllisch aufpassen, welche Diskussion wir
anstoßen, wenn wir auf einmal wieder in "wir" und "die" unterteilen,
in Menschen mit Migrationsgeschichte und ohne". Das heiße nicht,
dass es keine Probleme gebe, sagte der Bundesfinanzminister. "Aber
ich möchte auch, dass wir begreifen, dass die Vielfalt, die wir
heute haben, dass das eine Stärke ist in diesem Land."
Die Kritik an Merz nimmt damit weiter an Fahrt auf. Linke und Grüne
halten dem CDU-Chef Rassismus und AfD-Rhetorik vor, aus der SPD wird
Merz seit Tagen attackiert und auch aus der Union melden sich
Kritiker zu Wort. Die Demonstrationen als Reaktion auf die
Äußerungen des Kanzlers gehen unterdessen weiter. Nach einer
Kundgebung in Berlin am Dienstag unter dem Motto "Wir sind die
Töchter!" mit mehreren Tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern sind
weitere Proteste in Kiel und Köln geplant.
Merz selbst reiste am Mittwoch für drei Tage ins Ausland - erst nach
London, zum Westbalkan-Gipfel, danach geht es zum EU-Gipfel nach
Brüssel. Am Dienstag wollte er sich in Stuttgart auf Nachfrage nicht
mehr zu der von ihm - gewollt oder ungewollt - angestoßenen Debatte
äußern. Es sei "deutlich geklärt", was er gemeint habe.
Das Thema dürfte er trotzdem nicht so schnell loswerden. Dafür gibt
es mehrere Gründe.
Die Aussage selbst: Noch keine Klarheit
Ausgangspunkt für die Debatte ist eine Aussage des Kanzlers auf
einer Pressekonferenz in Potsdam in der vergangenen Woche zur
Migrationspolitik. Man korrigiere frühere Versäumnisse und mache
Fortschritte, sagte er dort. "Aber wir haben natürlich immer im
Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der
Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch
Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen."
Weil Merz nur angedeutet hat, was für ihn das Problem im Stadtbild
ist, lässt er in der Debatte viel Interpretationsspielraum. Das gilt
auch für seine Antwort auf eine Nachfrage eines Journalisten auf
einer CDU-Pressekonferenz am Montag: "Fragen Sie mal ihre Töchter."
Dem CDU-Politiker Armin Laschet ist das "zu nebulös". Die Unklarheit
dessen, was Merz damit gemeint habe, könnte die AfD für sich nutzen,
sagte der frühere Kanzlerkandidat der Union und heutige Vorsitzende
des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags. Die AfD werde bei der
nächsten Bundestagswahl natürlich fragen, ob das "Stadtbild" besser
geworden sei.
Merz hätte klarer formulieren können, so Laschet. Es gehe beim
Stadtbild nicht nur um Migration. Zum Stadtbild gehörten etwa auch
von deutschen Süchtigen weggeworfene Drogenspritzen in Parks,
Antisemiten, die Hamas-Parolen brüllten, oder Rechtsradikale, die
durch Straßen zögen.
Demos und Petition: "Wir sind die Töchter!"
Merz' Äußerung zu den Töchtern war für die Klima-Aktivistin Luisa
Neubauer Anlass, ihre Empörung über Merz mit einem spontanen Aufruf
zu einer Demonstration vor der CDU-Zentrale ins Berliner Stadtbild
zu tragen. 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren angemeldet,
zwischen 2.000 (Polizei) und 7.500 kamen. Mit dabei waren auch die
Grünen-Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge und frühere
Grünen-Parteichefin Ricarda Lang. Weitere Demonstrationen sind
angemeldet.
Außerdem stieß die Initiative "Radikale Töchter" eine
Online-Petition an, die nach Angaben der Plattform innn.it innerhalb
von 24 Stunden von etwa 100.000 Menschen unterzeichnet wurde. In dem
Aufruf heißt es: "Wir sind die Töchter, die keine Angst vor Vielfalt
haben - aber vor Ihrer Politik. Wir sind die Töchter, die sich für
Ihren Rassismus nicht einspannen lassen."
Politische Forderungen: Videoüberwachung und Frauenhäuser
Merz selbst hat sich lediglich für einen weiterhin konsequenten Kurs
bei Abschiebungen von Ausländern ohne Bleiberecht ausgesprochen, um
das Stadtbild zu verändern. In der Debatte werden nun aber weitere
Forderungen ganz unterschiedlicher Art gestellt.
Der CDU-Landeschef in Rheinland-Pfalz, Gordon Schnieder, sprach von
"Angsträumen" in den Städten. Er meint damit öffentliche Plätze,
über die gerade Frauen nicht mehr alleine bei Dunkelheit laufen
möchten, wie er der "Rheinpfalz" sagte. Um das Problem in den Griff
zu bekommen, sprach er sich für eine KI-gestützte Videoüberwachung
an öffentlichen Plätzen aus.
Linksfraktionschefin Heidi Reichinnek sagte dagegen dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), der gefährlichste Ort für
Frauen sei ihr eigenes Zuhause. Ginge es Merz um den Schutz von
Frauen vor Gewalt, müsste er die Finanzierung von Frauenhäusern und
Beratungsstellen sichern und in Gewaltprävention investieren.
Koalitionsfrieden: Belastungsprobe für Schwarz-Rot
Das größte Problem für Merz dürfte aber die Debatte in seiner
Koalition sein, die nach dem holprigen Start mit den Streitigkeiten
um die Wahl von Verfassungsrichtern und Strompreissenkungen gerade
versucht, wieder in ruhigere Fahrwasser zu kommen.
Einzelne Bundestagsabgeordnete gingen Merz noch deutlich härter an
als die Führungsriege der SPD. "Er bedient eine
Ausländer-raus-Stimmung, bietet keine Lösungen an und stiftet damit
sozialen Unfrieden", sagte der SPD-Außenexperte Ralf Stegner dem
"Tagesspiegel". Die Äußerungen von Merz trügen auch "nicht dazu bei,
die Stimmung in der Koalition zu verbessern". An der SPD-Basis seien
viele "entsetzt über die Worte des Kanzlers".
Auch der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic sagte im Magazin "Stern",
das Problem sei, dass Merz als Kanzler auch für die Koalition
spreche. "Ich will das als SPD-Abgeordneter, zumal als
Großstadt-Kind, nicht einfach so stehen lassen."/mfi/DP/zb
AXC0260 2025-10-22/18:35
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Autor: - dpa-AFX
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