| ROUNDUP 2: Wie lange darf die Schufa Zahlungsprobleme speichern? |
| 06.11.2025 15:02:00 |
(Neu: Nach Verhandlung)
KARLSRUHE (dpa-AFX) - Bei der Wohnungssuche, der Aufnahme eines
Bankkredits oder einem Kauf auf Rechnung spielt der Schufa-Score oft
eine entscheidende Rolle. Unternehmen sollen durch ihn besser
einschätzen können, ob Kundinnen und Kunden ihre Rechnungen
pünktlich bezahlen werden. Grundlage dafür sind auch Daten zu
früheren Zahlungsausfällen. Aber wie lange dürfen
Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa solche Informationen
speichern?
Mit dieser Frage beschäftigt sich gerade der Bundesgerichtshof
(BGH). Am Donnerstag verhandelte der erste Zivilsenat über die Klage
eines Mannes gegen die Schufa (Az. I ZR 97/25). Er verlangt
Schadenersatz, weil die Schufa Daten zu an ihn gerichteten
Forderungen noch über mehrere Jahre speicherte, nachdem er sie
bereits abbezahlt hatte. Wann ein Urteil fällt, blieb zunächst
offen. Ein Überblick über die bisherige Rechtslage und mögliche
Folgen:
Was ist eine Wirtschaftsauskunftei?
Auskunfteien sind privatwirtschaftliche Unternehmen. Sie sammeln
Daten, um vorherzusagen, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person
in Zukunft ihre Rechnungen pünktlich bezahlen wird. Das Ergebnis
dieser sogenannten Bonitäts- oder Kreditwürdigkeitsprüfung geben sie
dann meist in Form von Score-Werten an Händler, Banken oder
Versicherungen weiter. Wer einen schlechten Score hat, bekommt
womöglich keine günstigen Konditionen für einen Kredit oder darf
online nicht in Raten oder auf Rechnung zahlen.
Die größte und wohl bekannteste Wirtschaftsauskunftei ist die
Schufa. Nach eigenen Angaben verfügt der Marktführer aus Wiesbaden
über Daten zu 68 Millionen natürlichen Personen und 6 Millionen
Unternehmen.
Welche Speicherfristen gelten bislang?
Wie lange Wirtschaftsauskunfteien Daten über Verbraucherinnen und
Verbraucher speichern dürfen, ist vom Gesetzgeber nicht klar
vorgegeben. Die Auskunfteien in Deutschland haben sich aber ein
eigenes Regelwerk auferlegt. Dieser "Code of Conduct" wurde zuletzt
2024 überarbeitet und vom hessischen Landesdatenschutzbeauftragten
abgesegnet. Er sieht für erledigte Zahlungsstörungen grundsätzlich
eine Speicherfrist von drei Jahren vor. In bestimmten Fällen endet
die Speicherung schon nach 18 Monaten.
Wo liegt das Problem?
Am BGH geht es nun um die Frage, ob die Schufa diese Daten überhaupt
weiter speichern darf, wenn die Forderungen ausgeglichen wurden -
oder ob das gegen Datenschutzrecht verstößt. Letzteres hatte das
Oberlandesgericht Köln im April bejaht und die Schufa zur Zahlung
von Schadenersatz verurteilt. Auskunfteien müssten demnach
Informationen zu Zahlungsstörungen löschen, sobald die überfälligen
Schulden beglichen wurden.
Was sagt die DSGVO?
Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schreibt vor,
dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten dann erlaubt ist,
wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen dient. "Darauf können
sich die Auskunfteien durchaus berufen", sagt Niko Härting,
IT-Rechtsanwalt und Vorstandsmitglied beim Deutschen Anwaltverein.
"Die Frage ist nur: Wie lange bestehen diese berechtigten
Interessen?" Das sei der Kern des Verfahrens am BGH.
Können Betroffene auf Schadenersatz hoffen?
Dem OLG Köln zufolge: Ja. Das Gericht sprach dem Kläger im
betroffenen Fall 500 Euro Schadenersatz zu. Grundsätzlich sieht die
DSGVO bei Verstößen nämlich ein Recht der Betroffenen auf
Entschädigung vor. Es komme dabei aber unter anderem darauf an, ob
der Auskunftei ein eigenes Verschulden vorzuwerfen sei oder nicht,
sagt Fachmann Härting. Auch darüber müsse womöglich der BGH
entscheiden. Rechtlich spannend sei auch, wie in dem Fall die Höhe
des zu ersetzenden Schadens berechnet würde.
Was entgegnet die Schufa?
Würde der BGH die Rechtsauffassung des Kölner Urteils bestätigen,
enthielte die Bonitätsauskunft in Zukunft keine Informationen mehr
dazu, ob es bei einer Person Zahlungsstörungen gab, sagt
Schufa-Sprecherin Tanja Panhans. Dabei hätten Personen auch nach
Begleichung offener und längst fälliger Schulden ein mindestens
10-fach höheres Risiko, erneut in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten
- verglichen mit Menschen, die ihren Zahlungsverpflichtungen
zuverlässig nachkämen.
Welche Folgen könnte das haben?
Unternehmen könnten das Risiko von Zahlungsausfällen ohne die Daten
nicht mehr präzise einschätzen und würden das am Ende wohl in ihre
Waren und Dienstleistungen einpreisen, sagt Panhans.
Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier warnte ebenfalls, der Wegfall
dieser Daten würde die Risikokalkulation für Banken erschweren.
"Dieses finanzielle Risiko dürften einige Kreditinstitute in Form
höherer Zinsen auf ihre Kundinnen und Kunden umlegen".
Wie sieht das der Kläger?
Die Anwälte des Klägers betonten vor Gericht die schweren
Konsequenzen, die eine schlechte Bonität für Betroffene noch Jahre,
nachdem sie ihre Schulden abbezahlt haben, mit sich bringen könnte.
Der Score sei oft entscheidend dafür, ob man eine Wohnung, ein Auto
oder einen Arbeitsvertrag bekomme. Die Fristen, die sich die
Auskunfteien setzten, seien wiederum willkürlich gewählt,
kritisierte Rechtsanwalt Veaceslav Ghendler nach der Verhandlung.
Wie kam die Drei-Jahre-Frist zustande?
Vor der DSGVO und dem daraufhin angefertigten "Code of Conduct" war
bis 2018 die dreijährige Speicherfrist für erledigte
Zahlungsstörungen im Bundesdatenschutzgesetz verankert, argumentiert
hingegen die Schufa. In die letzte Genehmigung des
Auskunftei-Regelwerks 2024 seien sowohl Verbände der Kredit-gebenden
Wirtschaft, als auch Verbraucherschützer wie der Bundesverband der
Verbraucherzentralen und die Bundesarbeitsgemeinschaft der
Schuldnerberatungen einbezogen worden.
Wie viele Menschen sind konkret betroffen?
Im Falle einer BGH-Entscheidung gegen die Schufa würden nach Angaben
der Auskunftei rund 564.000 Personen profitieren. Bei ihnen müsste
die Schufa dann bereits erledigte Zahlungsstörungen aus dem
Datenbestand streichen. Sie hätten infolge keine erledigten
Negativeinträge mehr in ihren Schufa-Daten und ihr Score würde sich
entsprechend verbessern.
Ist das Thema mit einem BGH-Urteil geklärt?
Ja und Nein. Als oberstes Zivilgericht Deutschlands prägt der BGH
die Rechtsprechung der ganzen Bundesrepublik. In Bezug auf die
Speicherfristen für Zahlungsstörungen hat seine Entscheidung also
durchaus Bedeutung. Allerdings seien auch in Bezug auf zahlreiche
weitere Arten von Daten die Speicherfristen bisher nicht
rechtssicher geklärt, sagt Schufa-Sprecherin Panhans. Damit diese
offenen Fragen nicht erst nach jahrelangen Verfahren durch mehrere
Gerichtsinstanzen beantwortet werden, wünscht sich die Auskunftei
auf gesetzlicher Ebene Klarheit und wirbt für eine Novelle des
Bundesdatenschutzgesetzes./jml/DP/mis
--- Von Jacqueline Melcher, dpa ---
AXC0292 2025-11-06/15:02
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Autor: - dpa-AFX
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