| Brasilien startet Klimagipfel mit Elan - Bilanz hat Kratzer |
| 09.11.2025 14:02:00 |
Im zähen Kampf gegen die Klimakrise rühmt sich
Brasilien als Vorkämpfer. Als Gastgeber der Weltklimakonferenz will
Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den rund 200 Staaten ehrgeizige
Beschlüsse abverlangen. Doch passt dazu der Bau einer neuen
Schnellstraße durch den Regenwald zur Millionenstadt Belém? Und neue
Öl-Bohrungen in der Amazonasmündung, die noch kurz vor der
prestigeträchtigen Mammutkonferenz genehmigt wurden?
Klimaschützer äußerten sich im März empört über die breite Schneise
für die Straße, der wertvolle Bäume zum Opfer fielen. Die
Regionalregierung betont aber, Planung und Bau liefen schon seit
Jahren und hätten mit der COP30 nichts zu tun.
Klimaschützer rügen Öl-Lizenz als Sabotageakt
Die umstrittenen Ölbohrungen des Petrobas-Konzerns verurteilte das
Klimanetzwerk Observatório do clima als "Sabotageakt" gegen die
Klimakonferenz. Damit werde die von Lula beanspruchte Führungsrolle
im Klimaschutz untergraben. Klagen von Umweltschützern laufen - doch
ebenso die Bohrungen.
Und wie passt es zum auf Umweltschutz getrimmten Konzept, dass nun
wochenlang zwei extra gecharterte Kreuzfahrtschiffe vor Belém
ankern, um den riesigen Bedarf an Hotelbetten zu decken? Die
unkonventionelle Lösung musste her, weil die Stadt logistisch
gesehen am Limit ist: Für die zwei Wochen reisen etwa 50.000
Diplomaten, Journalisten und Aktivisten an.
Für die COP gesäubert und ausgebessert
In der wuseligen, schwülen Großstadt mit ihren bröckelnden Gehwegen
und Gebäuden, verstopften Straßen und plärrenden Lautsprechern der
vielen Straßenhändler wurde ganz offensichtlich einiges investiert,
um zur COP30 optisch wenigstens punktuell zu glänzen: Etliche
Plätze, Parks und auch Klärwerke wurden gesäubert und ausgebessert,
die Bepflanzung auf Vordermann gebracht. Allein aus brasilianischen
Bundesmitteln flossen dafür umgerechnet rund 650 Millionen Euro nach
Belém, eine auch nach brasilianischen Maßstäben eher arme Stadt mit
viel indigener Bevölkerung.
Was will Gastgeber Brasilien erreichen mit seiner symbolisch
aufgeladenen COP30 am Rand des Regenwalds, genau zehn Jahre nach dem
umjubelten Pariser Klimaabkommen? Präsident Lula spricht von einer
"COP der Wahrheit". Klimakonferenzen hätten seither viel
beschlossen, aber die Staaten viel zu wenig geliefert. Sie hätten
nun Gelegenheit, "die Ernsthaftigkeit ihres Engagements für den
Planeten unter Beweis zu stellen".
Konkret will Brasilien unter anderem zwei Vorhaben pushen: Schon auf
einem vorgeschalteten Gipfel wurde ein neuer, milliardenschwerer
Fonds zum Schutz tropischer Wälder in mehr als 70 Staaten
angeschoben. Zum anderen will Lula mehr Mittel mobilisieren, um
ärmeren Staaten die Anpassung an die fatalen Folgen der Erderhitzung
zu erleichtern - also etwa heftigere und häufigere Dürren,
Überschwemmungen, Stürme und Waldbrände. Der Bedarf ist gigantisch.
Der neue UN-Report zur "Anpassungslücke" zeigt, dass
Entwicklungsländer bis 2035 jährlich mindestens 310 Milliarden
US-Dollar (268 Milliarden Euro) brauchen, um sich an die
Erderwärmung anzupassen - das Zwölffache der derzeitigen
internationalen öffentlichen Finanzmittel.
Gastgeber Lula: Die Natur beugt sich keinen Bomben
Die politische Großwetterlage ist aber rau und erschwert ehrgeizige
Beschlüsse auf der COP30. Die Schlagzeilen werden beherrscht von
Kriegen und Konflikten, sei es im Gazastreifen, der Ukraine oder im
Sudan. Und mit den USA unter Donald Trump ist einer der größten
Emittenten klimaschädlicher Treibhausgase aus dem Pariser Abkommen
von 2015 ausgestiegen. In Belém wird das Land nicht hochrangig
vertreten sein.
Die ungemütliche Lage kennt auch Lula, der vor einer Abkehr vom
Multilateralismus und nationalistischen Tendenzen warnt. Schon vor
Wochen mahnte er in New York, niemand sei vor den Folgen des
Klimawandels sicher. "Mauern an den Grenzen können weder Dürren noch
Stürme aufhalten. Die Natur beugt sich weder Bomben noch
Kriegsschiffen."
Brasilien top bei Erneuerbaren, aber auch im Öl-Business
Doch ist auch Brasiliens eigene Bilanz in puncto Klimaschutz
widersprüchlich. Zwar kommen 90 Prozent des Stroms aus erneuerbaren
Energien wie Wasserkraft - ein einsamer Spitzenwert unter den
G20-Staaten. Doch rangiert es auch bei der Ölförderung in der
weltweiten Rangliste unter den Top Ten. Öl ist inzwischen das
Haupt-Exportgut, noch vor Sojabohnen.
Das Land rühmt sich einerseits, wie sehr der heimische Regenwald das
Weltklima stabilisiert. Doch zugleich gehen weiter jedes Jahr
riesige Flächen verloren - wenn auch zuletzt in gebremstem Tempo.
Und: Brasilien ist der weltweit größte Exporteur von Rindfleisch,
dessen Klimabilanz wegen der Methan-Ausscheidungen der Tiere ganz
besonders klimaschädlich ist.
Schon vor dem offiziellen Start der COP30 waren am Donnerstag und
Freitag Dutzende Staats- und Regierungschefs in Belém, darunter
Kanzler Friedrich Merz (CDU). Immerhin etwas Rückenwind für die
eigentliche Konferenz brachte der Gipfel: Neben dem Start des
Tropenwald-Fonds gab es Erklärungen zur besseren Bekämpfung von
Waldbränden sowie zum globalen Kampf gegen Armut und Hunger wegen
der Klimakrise - alles unterstützt von jeweils vielen Dutzend
Delegationen.
Erstmals seit Jahren wieder sichtbare Proteste möglich
Einen positiven Unterschied macht, dass die diesjährige COP erstmals
seit Jahren in einem demokratischen Rechtsstaat stattfindet und
nicht wie zuletzt in autoritär regierten Ländern wie Aserbaidschan,
den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten. Deren repressive
Sicherheitsbehörden hatten Demonstrationen und Kundgebungen von
Klimaaktivisten rigoros untersagt und nur auf dem abgeschotteten
COP-Gelände selbst geduldet. Anders jetzt: Zur Halbzeit der
Konferenz Mitte November sind Proteste auch im Zentrum Beléms
geplant, flankiert von weiteren "Klimastreiks" rund um den Globus.
Dabei dürften die indigenen Gemeinschaften, die traditionellen Hüter
des Regenwalds, eine wichtige Rolle spielen. In Regionen, in denen
sie über verbriefte Landrechte verfügen, wird Studien zufolge
weniger Wald abgeholzt als anderswo. Rund 3.000 indigene
Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus aller Welt werden in Belém
erwartet - laut Regierung sei das "die größte Beteiligung indigener
Völker in der Geschichte der Konferenz". "Die Verteidigung des
Amazonasgebiets ist nicht nur ein Kampf für die Natur, sondern ein
Kampf um unsere eigene Existenz", sagte die brasilianische Indigene
Kelly Guajajara./toz/DP/mis
AXC0029 2025-11-09/14:02
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Autor: - dpa-AFX
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