| Ein Monat nach Beginn der Gaza-Waffenruhe - wie ist die Lage? |
| 09.11.2025 14:04:00 |
Die vor einem Monat in Kraft
getretene Waffenruhe zwischen Israel und der islamistischen Hamas
haben viele Menschen in der Region mit tiefer Erleichterung
aufgenommen. Doch für die rund zwei Millionen Einwohner des
Gazastreifens liegt eine Rückkehr zur Normalität noch in weiter
Ferne.
Umm Ahmed Afana aus Chan Junis ist bei Verwandten untergekommen,
nachdem ihr Haus während des zweijährigen Kriegs beschädigt worden
war. "Endlich können wir schlafen, ohne den Klang von Luftangriffen
zu hören, aber jedes laute Geräusch erschreckt meine Kinder noch
immer", sagt die vierfache Mutter. "Es ist Frieden an der
Oberfläche, aber noch nicht in unseren Herzen. Wir beten nur, dass
diese Ruhe lange genug anhält, damit wir neu anfangen können."
Krieg brach mehrmals fast wieder aus
"Einen Monat nach Beginn der Waffenruhe befinden wir uns in einer
sehr fragilen Lage", sagt Michael Milshtein, früherer Leiter der
Abteilung für palästinensische Angelegenheiten bei Israels
Militärgeheimdienst. Es habe seit dem 10. Oktober schon mehrmals
Vorfälle gegeben, die fast zu einem neuen Kriegsausbruch geführt
hätten.
Bei Angriffen auf israelische Truppen, die weiterhin mehr als die
Hälfte des Gazastreifens kontrollieren, wurden mehrere israelische
Soldaten getötet. Israel greift weiter Ziele in dem Küstenstreifen
an: Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde
sind seit Beginn der Waffenruhe mehr als 240 Palästinenser getötet
worden.
Was wurde bisher umgesetzt?
Die 20 lebenden Geiseln der Hamas wurden wie vereinbart am 13.
Oktober freigelassen, darunter auch deutsche Staatsbürger. Im
Gegenzug hat Israel fast 2.000 palästinensische Gefangene
freigelassen. Doch die Übergabe der 28 Leichen, zu der die Hamas
sich ebenfalls verpflichtet hatte, verlief entgegen der Vereinbarung
nur schleppend.
Im Gazastreifen befinden sich weiterhin die Leichen von fünf
Geiseln. In Israel sollen die Proteste weitergehen, bis auch die
letzten sterblichen Überreste übermittelt sind - man möchte
niemanden zurücklassen.
Im Gegenzug für die bisher übergebenen Leichen hat Israel die
Leichen von 285 Palästinensern übermittelt. Israel hat seine Truppen
außerdem auf die sogenannte "gelbe Linie" zurückgezogen, die die
Rückzugslinie der Armee innerhalb des Gazastreifens markiert.
Was ist der größte Knackpunkt?
Der Gaza-Friedensplan sieht auch die Entwaffnung der Hamas vor. Die
Terrororganisation lehnt das jedoch ab. Im Gegenteil, sie nutzt die
Waffenruhe nach Ansicht von Experten, um sich neu zu organisieren.
Doch die Trump-Regierung, die den Friedensplan vorgelegt hatte,
besteht als Vermittler in dem Konflikt darauf.
Konkret steht im Plan von US-Präsident Donald Trump: Sobald alle
Geiseln freigelassen sind, bekommen Hamas-Mitglieder, die sich zu
friedlicher Koexistenz und zur Niederlegung ihrer Waffen
verpflichten, Amnestie. Die USA stehen auf dem Standpunkt: Wenn die
Waffen nicht abgegeben werden, wird sich alles wiederholen.
Nach Einschätzung des Experten Milshtein sind die USA jetzt der
Hauptakteur mit Blick auf die Zukunft des Gazastreifens. "Dieser
Krieg ist zu Ende gegangen, nicht weil Israel es wollte oder die
Hamas eingelenkt hat, sondern weil Trump auf den Tisch gehauen hat",
sagt er. Trump sei eindeutig der Entscheider und der US-Präsident
werde es nicht erlauben, dass der Krieg von Neuem beginne. "Israels
Handlungsspielraum wird immer kleiner."
Experte: Hamas dominante Kraft im Gazastreifen
Der Hamas sei es nach der Waffenruhe rasch gelungen, in den von ihr
kontrollierten Gebieten wieder die Herrschaft zu übernehmen, sagt
Milshtein. Auch zwei Jahre nach Kriegsbeginn sei die Hamas die
dominante Kraft im Gazastreifen. Gegner innerhalb der eigenen
Bevölkerung wurden massiv eingeschüchtert, etwa durch öffentliche
Hinrichtungen.
Die USA haben in Israel ein Koordinationszentrum für alle weiteren
Schritte errichtet. Der "New York Times" zufolge sollen die USA
darauf drängen, dass ihr Friedensplan durch ein Votum des
UN-Sicherheitsrats und damit dann internationales Recht untermauert
wird. Dies schließt auch den Einsatz einer internationalen
Stabilisierungstruppe (ISF) ein, die im Gazastreifen für Ordnung
sorgen soll. Ihre genaue Zusammensetzung ist allerdings noch offen.
USA streben nach weiteren Annäherungsabkommen in der Region
Zudem sind die Vereinigten Staaten um Stabilität in der größeren
Region bemüht. Den vor Jahren von den USA initiierten sogenannten
Abraham-Abkommen für eine Normalisierung der diplomatischen
Beziehungen zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten schließt
sich Trump zufolge auch das muslimisch geprägte Kasachstan in
Zentralasien an - es unterhält bereits diplomatische Beziehungen mit
Israel. Das ist also bloß ein symbolischer Schritt. Mehr Staaten
sollen folgen, hieß es von US-Seite, doch noch ist nicht abzusehen,
ob zum Beispiel auch Saudi-Arabien beitreten könnte.
Schwierige zweite Phase des US-Friedensplans
Trotz Verletzungen der Waffenruhe hoffen die arabischen
Vermittlerstaaten Katar und Ägypten, dass bald die zweite Phase des
Friedensplans eingeläutet werden kann. Dazu gehöre ausdrücklich die
Entwaffnung der Hamas, betonte der katarische Regierungschef
Mohammed bin Abdulrahman Al Thani kürzlich. Die Hamas sei bereit,
die Kontrolle über den Gazastreifen abzugeben, solange dies für alle
Seiten in dem Konflikt gelte, sagte er.
Experte Milshtein geht allerdings davon aus, dass die Hamas eine
internationale Truppe mit robustem Mandat im Gazastreifen nicht
akzeptieren würde. Eine alternative zivile Verwaltung, etwa durch
die palästinensische Autonomiebehörde, wäre dagegen aus Sicht der
Terrororganisation kein Problem, meint Milshtein. "Dies würde die
Hamas nicht dabei stören, ihre Stärke zu bewahren." Der Experte geht
auch davon aus, dass die Organisation "niemals ihre Waffen
niederlegen" würde. Die Waffen gehörten "zur DNA der Organisation".
Denkbar sei allerdings ein Kompromiss, der zu einem Verzicht der
Hamas nur auf "Angriffswaffen" wie etwa Raketen führen könnte.
Ägyptens Außenminister Badr Abdel-Atti zufolge konzentrieren sich
die Bemühungen seines Landes darauf, das Leid der Bevölkerung in
Gaza zu lindern. Zudem müssten die Palästinenser eine realistische
Aussicht auf ihren unabhängigen Staat erhalten. Dies lehnt die
rechtsreligiöse Regierung des israelischen Ministerpräsidenten
Benjamin Netanjahu jedoch strikt ab.
Wie geht es den Menschen in Gaza?
Nach Inkrafttreten der Waffenruhe waren die Hilfslieferungen als
Teil der Vereinbarung ausgeweitet worden, mit einem Ziel von 600 Lkw
am Tag. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Medienbüros
sind seit Beginn der Waffenruhe rund 750.000 Binnenflüchtlinge in
die Stadt Gaza und den Norden des Gazastreifens zurückgekehrt. Wegen
der schweren Zerstörungen lebten aber 80 Prozent von ihnen in
provisorischen Unterkünften.
Ahmed Mansour hatte vor dem Krieg, der mit dem Hamas-Massaker in
Israel am 7. Oktober 2023 begonnen hatte, einen kleinen
Lebensmittelladen im Norden des Gazastreifens. "Die Waffenruhe hat
uns etwas Luft zum Atmen gegeben, aber unsere Realität hat sich
nicht geändert", sagt er. "Ich kann den Laden immer noch nicht
wieder eröffnen - es gibt die meiste Zeit keinen Strom, und die
Menschen haben kaum Geld, um etwas zu kaufen."
Huda Salman, eine Lehrerin aus der Stadt Gaza, erzählt: "Zum ersten
Mal seit Monaten sind meine Schüler wieder im Unterricht. Einige
Kinder zeichnen immer noch Raketen und Soldaten - so erinnern sie
sich an den Krieg. Aber wenn ich sie während des Unterrichts lachen
sehe, spüre ich ein wenig Hoffnung."/le/DP/mis
AXC0031 2025-11-09/14:04
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Autor: - dpa-AFX
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