| ROUNDUP: Vizekanzler in China - ein diplomatischer Drahtseilakt |
| 17.11.2025 06:35:00 |
Vizekanzler Lars Klingbeil ist als erster
Minister der schwarz-roten Regierung für politische Gespräche in
China. Es dürfte seine erste diplomatische Bewährungsprobe sein -
denn das Verhältnis zum Land in Fernost ist kompliziert und
belastet, sowohl außen- als auch wirtschaftspolitisch.
Zum Auftakt seiner dreitägigen Reise pochte der Finanzminister und
SPD-Chef auf fairen Wettbewerb und besseren Marktzugang für deutsche
Unternehmen. "Der Zugang zu kritischen Rohstoffen und der Abbau
chinesischer Überkapazitäten in Sektoren wie Stahl und
Elektromobilität sind für Wirtschaft und Arbeitsplätze in
Deutschland von hoher Bedeutung", sagte er vor seinem Abflug nach
Peking. "Wir scheuen keinen Wettbewerb, aber er muss fair sein."
Die Bundesregierung suche den Dialog mit China, um trotz wachsender
internationaler Spannungen Lösungen für drängende Probleme zu
finden, kündigte Klingbeil an.
Drahtseilakt eins: Die Absage von Außenminister Wadephul
Eigentlich sollte Außenminister Johann Wadephul der erste Vertreter
der Regierung von Kanzler Friedrich Merz (beide CDU) in China sein.
Doch in letzter Minute sagte Wadephul seine Reise ab. Die
chinesische Seite hatte ihm nur ein Treffen mit seinem Amtskollegen
Wang Yi zugesagt - zu wenig aus Sicht des Deutschen. Gleichzeitig
kamen aus Peking deutliche Töne gegen Wadephuls wiederholt kritische
Äußerungen zur chinesischen Taiwan-Politik.
Auch ein klärendes Telefonat schaffte offenkundig nicht alles aus
der Welt: Laut chinesischem Außenamt warnte Wang sein Gegenüber, von
"Mikrofon-Diplomatie" und unbegründeten Anschuldigungen abzusehen.
Gelingt es Vizekanzler Klingbeil in dieser angespannten Situation,
den richtigen Ton zu treffen? Er reise in enger Abstimmung mit
Außenminister und Kanzler, betont er.
Drahtseilakt zwei: Machtstreben und Menschenrechte
Deutsche Top-Politiker bewegen sich bei Besuchen in China
diplomatisch immer auf dünnem Eis. Lehrmeister aus dem Westen mag
man dort nicht. Doch zugleich gibt es Themen, die ein deutscher
Politiker nicht unausgesprochen lassen kann. In der Volksrepublik
werden immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen kritisiert,
außerdem müssen sich westliche Gäste meist zur Taiwan-Frage
verhalten.
China zählt Taiwan zu seinem Territorium, obwohl die Inselrepublik
seit Jahrzehnten eine demokratisch gewählte Regierung hat. In Peking
zieht man Parallelen zur deutschen Wiedervereinigung - schließt aber
auch einen Militäreinsatz nicht aus. Beinahe täglich trainiert
Chinas Volksbefreiungsarmee mit Kriegsschiffen und Kampfjets vor
Taiwan.
Aus Diplomatenkreisen ist zu hören, dass das Thema bei Terminen mit
ausländischen Gästen zuletzt deutlicher auf den Tisch kam. So ist
wohl auch die Reaktion auf Wadephuls Äußerung zu erklären, der im
Grunde eine bekannte Haltung der Bundesregierung formuliert hatte.
Im Interview der Deutschen Presse-Agentur machte Klingbeil ebenfalls
klar: "Wir gucken sehr genau, was in Taiwan passiert." Wenn es zu
einer militärischen Aktion komme, "dann wird das dazu führen, dass
es einen anderen Blick auf China gibt."
Drahtseilakt drei: Die Wirtschaftsbeziehungen
China sieht sich als Gewinner der Handelsstreitigkeiten mit den USA
und hat an Selbstbewusstsein gewonnen. Eine Machtdemonstration gab
es zuletzt in der für die deutschen Autobauer wichtigen
Chipindustrie. Zwar deutet sich in der Nexperia-Krise jetzt
Entspannung an. Doch ist das nicht Chinas einziger
wirtschaftspolitischer Hebel. In den Handelsgesprächen mit den USA
setzte Peking seltene Erden erfolgreich als Druckmittel ein.
Die Metalle und daraus gefertigte Magnete stecken in Bildschirmen
von Smartphones oder Fernsehern, in den Antrieben für
Elektromotoren, Halbleitern oder Turbinen. Die deutsche Industrie
ist deshalb darauf angewiesen. China hat ihren Export beschränkt,
deutsche Unternehmen müssen aufwendige Genehmigungsverfahren
durchlaufen.
Darüber wolle er sprechen, kündigt Klingbeil an. "Seltene Erden sind
ein Thema, wo, ich finde, wir nicht akzeptieren können, wenn ein
Partner den Vorteil, den er hat, dort ausnutzt", sagt er. Außerdem
gehe es um eine intensivere Zusammenarbeit im Finanzsektor und einen
besseren Marktzugang für deutsche Unternehmen.
Generell habe er den Eindruck, China wolle eine Zusammenarbeit mit
Deutschland und schätze es, "wenn man politisch auch Klartext redet
an verschiedenen Stellen, wenn man Differenzen nicht versucht zu
kaschieren, sondern wenn man offen auch in der politischen Debatte
ist".
Drahtseilakt vier: Chinas Beziehung zu Russland
Ein weiteres Thema, bei dem der deutsche Vizekanzler offen sprechen
will, ist Chinas Rolle im russischen Krieg gegen die Ukraine. "Das
Signal werde ich auch noch mal geben dort, dass wir eine starke
chinesische Rolle sehen und dass wir uns natürlich auch wünschen,
dass der Druck auf Russland hochgefahren wird, diesen
völkerrechtswidrigen Krieg zu beenden", sagt Klingbeil der dpa.
In Bezug auf Russland wird den Chinesen viel Einflussmöglichkeit
zugesagt. Staats- und Parteichef Xi Jinping empfing Anfang des
Monats Russlands Ministerpräsidenten Michail Mischustin, die
Beziehung der beiden Atommächte wird enger. Kremlchef Wladimir Putin
bezeichnet der Chinese gerne als "alten Freund". Die bisherigen
chinesischen Friedensvorschläge verfolgen aus Sicht der Ukraine
russische Interessen. Hinzu kommt, dass China mit seinen Öl-Importen
aus Russland weiter Geld in deren Kriegskasse spült.
Drahtseilakt fünf: Die Koalition daheim
Kritiker werfen der SPD vor, nach der Absage Wadephuls eine
Schatten-Außenpolitik zu betreiben - zumal auch Bundeskanzler Merz
wohl erst im kommenden Jahr nach China reisen wird. Klingbeil wird
von einer größeren Delegation begleitet, die auch am traditionellen
Parteiendialog der Sozialdemokraten mit der Kommunistische Partei
Chinas (KPCh) teilnimmt.
Die chinesische Regierung könnte das wie Regierungskonsultationen
aussehen lassen, wird befürchtet - und einen weiteren Keil zwischen
die deutschen Koalitionspartner treiben. Es könnte der Eindruck
entstehen, die SPD wolle den Dialog, während die Union Konfrontation
mit China suche.
Klingbeil selbst weist die Vorwürfe zurück. Mit Merz und Wadephul
spreche er sich eng ab, im Grunde reise er nur zufällig als Erster
der Bundesregierung. Gleichzeitig gehöre zu den Aufgaben eines
Finanzministers und eines Vizekanzlers auch das Pflegen
internationaler Kontakte "und das erst recht in diesen Zeiten, wo so
wahnsinnig viel sich weltpolitisch entwickelt"./tam/DP/zb
AXC0032 2025-11-17/06:35
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Autor: - dpa-AFX
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