| Wenn Tech-Firmen den Staat ersetzen / Digitalexpertin betont wachsende Risiken durch Auslagerung staatlicher Aufgaben - Technologieunternehmen haben immer mehr Einfluss auf Infrastruktur, Wahlen und Gesetzgebung. |
| 22.11.2025 05:01:00 |
Für die digitale
Selbstbestimmung Europas und den Schutz demokratischer Werte haben
diesen Dienstag alle EU-Mitgliedstaaten eine gemeinsame Erklärung
unterzeichnet. Auch die Digitalexpertin Marietje Schaake verfolgt
dieses Ziel. "Ich möchte Europäer zu einem Kurswechsel im Umgang mit
Technologie ermächtigen, damit die Stärkung unserer Demokratie
Vorrang hat." Europa müsse den "Coup" von Technologieunternehmen
verhindern, die zunehmend staatliche Kompetenzen übernähmen.
"Große Auslagerung" staatlicher Aufgaben
In ihrem Buch "Silicon Valley attacks" beschreibt Schaake, wie
demokratische Regierungen im Zuge der Digitalisierung zentrale
staatliche Funktionen an private Unternehmen delegieren - darunter
Aufgaben der nationalen Sicherheit, den Betrieb digitaler
Infrastrukturen und sogar Prozesse der Wahlorganisation. Infolge
dieser "großen Auslagerung" hätten Firmen wie Apple, Meta und
Microsoft ihre Kontrolle über Daten und Informationen erheblich
ausgeweitet und könnten dadurch politischen Einfluss ausüben, der
eigentlich Bürgerinnen und Bürgern und ihren gewählten Vertretern
zustehe.
Ein Beispiel für diese Funktionsverlagerung sei die
Präsidentschaftswahl 2017 in Kenia. Die Regierung nutzte das
elektronische Wahlsystem KIEMS des französischen Unternehmens
Safran, das die biometrische Identifizierung der Wählerinnen und
Wähler, die Stimmenzählung und die Übermittlung der Ergebnisse
sicherstellen sollte. Als die Opposition das Ergebnis anfocht,
konnte der Oberste Gerichtshof die Integrität des Systems jedoch
nicht prüfen, da Safran keinen Zugang zu den relevanten Wahldaten
gewährte. Das Gericht erklärte die Wahl daraufhin für ungültig. "Das
ist ungeheuerlich, wenn man darüber nachdenkt", sagt Schaake
gegenüber der APA.
Technologien "keineswegs nur glänzend und schön"
Schaake warnt zudem davor, dass staatliche Stellen auch
Unternehmen Aufgaben übertragen, die Technologien mit potenziell
antidemokratischen Wirkungen einsetzen und dadurch Grundrechte wie
Privatsphäre, Selbstbestimmung oder Pressefreiheit gefährden. "Wir
müssen auch innehalten und einen kritischen, unvoreingenommenen
Blick darauf werfen, was eine Technologie mit sich bringt. Und das
ist keineswegs nur glänzend und schön", betont sie.
Als Beispiele nennt Schaake die Spionagesoftware Pegasus sowie
das Softwareunternehmen Palantir. Dessen CEO Alex Karp erklärt:
"Unser Produkt wird gelegentlich dazu verwendet, Menschen zu töten".
Laut Schaake ermöglichte Palantir in Gaza "die gezielte Bekämpfung
von Menschen durch Bombardierungen oder Attentate". Gleichzeitig
hätten Unternehmen wie Palantir übermäßige Versprechen abgegeben.
Mit Blick auf den Beginn des Ukrainekriegs erinnert sie: "Der CEO
von Palantir sagte, dass das Unternehmen der Ukraine helfen würde,
den Krieg zu gewinnen. Hat es das? Nein. Ich wünschte, es wäre so,
aber nein."
Gesetzgebung im Rückstand
Nach Einschätzung Schaakes bleibt die Gesetzgebung zum Schutz
rechtsstaatlicher Prinzipien hinter der technologischen Entwicklung
zurück. Dies sei kein Zufall, sondern das Ergebnis intensiver
Lobbyarbeit finanzstarker Tech-Unternehmen. Aus Sorge, Innovationen
zu bremsen, verzichteten Regierungen mitunter auf notwendige
Regulierungen. "Manchmal, wenn ich meine Augen schließe, kann ich
nicht heraushören, ob gerade ein US-Politiker oder ein Lobbyist
eines Tech-Unternehmens spricht, weil sie alle dasselbe sagen", so
Schaake. Als positives Gegenbeispiel führt sie die EU an, die den
Datenschutz vorantreibe.
Die Regulierung werde zusätzlich durch den "Drehtür-Effekt"
erschwert: Immer mehr ehemalige Regierungsmitglieder wechselten in
den Privatsektor, wodurch staatliche Institutionen an Fachwissen
verlören, das bei der Gesetzgebung nötig ist. Als Beispiel für den
Drehtür-Effekt nennt Schaake die Entscheidung des ehemaligen
Bundeskanzlers Sebastian Kurz, für Peter Thiel zu arbeiten, den
Mitbegründer von Palantir. "Ich finde, das ist eine vielsagende
Entscheidung", sagt Schaake.
Strategische Vorsorge, Expertise und Beschaffung
Für die zukünftige Technologiepolitik empfiehlt Schaake das
Vorsorgeprinzip: Technologien, die der Öffentlichkeit schaden
könnten, sollten nicht implementiert werden. Dies gelte insbesondere
für aufkommende Technologien wie Künstliche Intelligenz. "Jede
Demokratie sollte wirklich verhindern, dass Wahlen und die
öffentliche Debatte durch Algorithmen von sozialen Medien,
Suchmaschinen und generativen KI-Unternehmen manipuliert werden".
Zudem fordert Schaake den Ausbau unabhängiger technischer
Expertise in Parlamenten und Behörden. Sie schlägt die Einrichtung
eines Technologiedienstes vor, der Gesetzgebungsprozesse fachlich
unterstützt. Darüber hinaus brauche es Reformen beim Schutz von
Geschäftsgeheimnissen für Unternehmen mit Staatsaufträgen, da diese
derzeit als "pauschale Ausrede" dienten, um Transparenz und
Rechenschaftspflicht zu verhindern.
Schließlich sollten Regierungen ihre erhebliche Kaufkraft nutzen,
um verbindliche Standards wie den Datenschutz durchzusetzen. "Ich
betrachte die Beschaffung als einen wichtigen Hebel für
Veränderungen - also die Art und Weise, wie Regierungen Technologie
einkaufen", sagt Schaake. Es sei nun notwendig, staatliche Ausgaben
strategischer auszurichten und Digitalpolitik stärker im Sinne der
Bürger zu gestalten.
fhp/pat
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Autor: - APA/fhp/pat
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