| ROUNDUP 3/Renten-Mehrheit wackelt: Viele Nein-Stimmen aus der Union |
| 02.12.2025 18:52:00 |
(Neu: gespaltene Abstimmungsankündigungen; mehr Hintergrund; neue
Zitate Dobrindt und Bilger)
BERLIN (dpa-AFX) - Die Koalitionsmehrheit für das umstrittene
Rentenpaket wackelt: In einer Testabstimmung der Unionsfraktion
votierten nach Angaben von Teilnehmern etwa 15 Abgeordnete gegen den
Gesetzentwurf, der vor allem von jungen Abgeordneten abgelehnt wird.
Einige sprachen sogar von etwa 20 Nein-Stimmen. Es gab zudem rund
eine Handvoll Enthaltungen. CDU, CSU und SPD haben aber nur zwölf
Stimmen Mehrheit im Parlament.
Damit ist unklar, ob die Koalition das Gesetz am Freitag aus eigener
Kraft verabschieden kann. Die Fraktionsführung bat die Abgeordneten,
bis Mittwoch um 12.00 Uhr mitzuteilen, falls sie mit Nein oder
Enthaltung stimmen wollen. Sie geht davon aus, dass ein Großteil der
Gegenstimmen lediglich als Zeichen des Unmuts zu werten sind, aber
noch nichts über das tatsächliche Abstimmungsverhalten aussagen.
Einige Redner erklärten in der Fraktionssitzung sogar explizit, dass
sie am Freitag anders stimmen wollten als jetzt.
"Wir gehen davon aus, nach der großen Zustimmung heute in der
Fraktion, dass die Mehrheit stehen wird", sagte der Parlamentarische
Fraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger der ARD. "Wir sind sehr
zuversichtlich, dass wir es am Freitag hinbekommen."
Am Freitagmittag wird abgestimmt
Die Abstimmung im Bundestag soll am Freitag stattfinden. Das Thema
Rente steht derzeit um 11.20 Uhr mit 70 Minuten Debatte auf der
Tagesordnung. Anders als bei der im ersten Anlauf geplatzten
geheimen Richterwahl im Juli wird diesmal namentlich abgestimmt. Mit
verdeckten Karten können die Abgeordneten also nicht spielen: Sie
müssen Farbe bekennen.
Wie viele Gegenstimmen aus den eigenen Reihen für die Koalition
verkraftbar sind, hängt davon ab, wie viele Abgeordnete am Freitag
anwesend sind. Wenn alle da wären, bräuchte die Koalition 316 von
630 Stimmen für eine eigene Mehrheit. CDU, CSU und SPD kommen
zusammen auf 328 Stimmen. Geht man von 15 Gegenstimmen und 5
Enthaltungen aus, wären es nur noch 308.
Dobrindt: "Ich habe den Eindruck, dass es gut wird am Freitag."
In der Fraktionsführung und im Umfeld von Kanzler und CDU-Chef
Friedrich Merz geht man trotzdem davon aus, dass das Risiko
beherrschbar ist. Innenminister Alexander Dobrindt sprach von einer
im Ton und Stil sehr anständigen, guten Debatte. "Ich habe den
Eindruck, dass es gut wird am Freitag", sagte der CSU-Politiker.
Spahn mahnt zur Disziplin
Merz appellierte in der Fraktionssitzung nach Angaben von
Teilnehmern noch einmal eindringlich an die jungen Renten-Rebellen,
dem Paket zuzustimmen. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) hatte
schon vor der Sitzung alle Abgeordneten aufgerufen, sich an ein
Mehrheitsvotum zu halten.
"Ich weiß, wie viele Kolleginnen und Kollegen mit sich ringen in der
Abwägung unterschiedlicher Aspekte", sagte er. Wenn aber
mehrheitlich eine Zustimmung empfohlen werde, "gibt es die klare
Erwartung auch in unserer Arbeitsordnung, dass dann diejenigen, die
es anders gesehen haben in dieser Abstimmung, dann gemeinsam mit der
Mehrheit der Fraktion im Deutschen Bundestag abstimmen".
Vor den Abgeordneten sagte Spahn laut Teilnehmern, es gehe jetzt
konkret um die Stabilität der Regierung. Bei einem Scheitern gäbe es
keinen Applaus mehr. 90 Prozent der Unionswähler würden dann fragen:
"Was macht ihr da?"
Junge Gruppe hat Abstimmung freigegeben
Der Widerstand gegen das Rentenpaket kommt vor allem aus der Jungen
Gruppe der Unionsfraktion, die sich seit Monaten gegen das
Rentenpaket stemmt. Zu ihr zählen 18 Abgeordnete, die zu Beginn der
Legislaturperiode höchstens 35 Jahre alt waren.
Das im Gesetzentwurf angepeilte Rentenniveau - also das Verhältnis
der gesetzlichen Rente eines Standardrentners mit 45 Beitragsjahren
zum Durchschnittsverdienst aller Erwerbstätigen - von 48 Prozent
über 2031 hinaus würde ihrer Überzeugung nach inakzeptable Kosten in
dreistelliger Milliardenhöhe verursachen.
Koalitionsspitze hat sich festgelegt: Keine Änderungen
Die Spitzen von Union und SPD hatten sich am Freitag im
Koalitionsausschuss trotzdem darauf festgelegt, den Gesetzentwurf
nicht mehr zu ändern. Nach einem Kompromissangebot soll aber die
längst beschlossene Rentenkommission schon dieses Jahr mit
Vorbereitungen für eine große Reform loslegen. Bis Mitte 2026 solle
sie demnach Vorschläge vorlegen und auch mit Vertretern der jungen
Generation besetzt werden - zum Beispiel aus der Jungen Gruppe.
Außerdem soll sie auch Themen behandeln, die für die SPD bisher ein
Tabu waren, zum Beispiel ein späteres Renteneintrittsalter als 67.
Der Jungen Gruppe reicht das Kompromissangebot nicht aus. Nach drei
Tagen Bedenkzeit veröffentlichte sie am Montag ein Positionspapier,
in dem das Gesetz nach wie vor als "nicht zustimmungsfähig"
bezeichnet wird. Darin erklärte die Gruppe aber, die Mitglieder
seien in ihrem Abstimmungsverhalten frei. Sie müssen sich nun
zwischen ihrer inhaltlichen Überzeugung und dem Koalitionsfrieden
entscheiden.
Ein Junger hat sein Ja schon öffentlich angekündigt
Der CDU-Abgeordnete Daniel Kölbl hatte sich bereits am Montag als
Erster öffentlich erklärt. "Ich habe mich dafür entschieden, dem
Rentenpaket zuzustimmen im Zweifel, damit es am Endeffekt eine
Mehrheit gibt", bekräftigte er nach der Fraktionssitzung. "Wir
brauchen eine handlungsfähige Regierung, die wir jetzt haben. Die
brauchen wir auch zukünftig."
Neben ihm hat sich bisher nur der Chef der Jungen Union, Johannes
Winkel, festgelegt - hinter verschlossenen Türen. Er kündigte in der
CDU-Vorstandssitzung am Montag laut Teilnehmern ein Nein an. In der
Fraktionssitzung wiederholte er das aber nicht - genauso wenig wie
der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig.
Generell heißt es, dass Abgeordnete aus Bundesländern, in denen
nächstes Jahr gewählt wird, am ehesten für das Rentenpaket stimmen
werden. Philipp Amthor (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im
Digitalministerium und Mitgliederbeauftragter im CDU-Vorstand, zählt
dazu. Von ihm sagt man seit längerem, dass er die Koalition nicht
über die Klinge springen lassen würde.
Spahn macht seit Tagen Druck
Vor allem Unionsfraktionschef Spahn nimmt sich seit Tagen die Jungen
nacheinander vor und versucht, sie umzustimmen. Medienberichten
zufolge soll er dabei zumindest durch die Blume mit hinteren, wenig
aussichtsreichen Listenplätzen bei der nächsten Bundestagswahl
gedroht haben.
"So konkret habe ich das nicht", sagte Spahn am Sonntag in der
ARD-Sendung "Miosga" dazu. "Ich führe einfach freundliche, klare
Gespräche, ich drohe nicht." Es sei aber klar, dass "über Szenarien
und Konsequenzen" gesprochen werde.
Kein Plan B für ein Scheitern
Wenn der Bundestag dem Rentenpaket am Freitag zustimmt, entscheidet
am 19. Dezember der Bundesrat. Wenn auch die Länderkammer grünes
Licht gibt, kann das Gesetz am 1. Januar in Kraft treten.
Wenn alles schief läuft am Freitag, dann steckt die Koalition ganz
tief in einer existenziellen Krise. Über einen Plan B möchte noch
niemand so recht reden. Spahn sagte vor der Fraktionssitzung auf die
Frage, ob er politische Konsequenzen ziehen werde, wenn das Gesetz
scheitert: "Das ist ganz einfach. Wenn wir ein Gesetz zur Abstimmung
stellen, dann muss und wird es eine Mehrheit bekommen." Und wenn
nicht? "Das wird es."/mfi/bk/sam/DP/mis
AXC0257 2025-12-02/18:52
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Autor: - dpa-AFX
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