| ROUNDUP/Verlieren unmöglich: 'Tiny Bookshop' räumt Games-Preise ab |
| 03.12.2025 07:05:00 |
Fast wäre einer der besten deutschen
Computerspiele-Entwickler in die alte analoge Welt abgebogen. Bei
einer Neuseeland-Reise 2019 habe er einen alten Mann beobachtet,
erinnert sich David Zapfe-Wildemann, Gründer des Gamingstudios
Neoludic aus Köln. Der habe vor einem Bauwagen gesessen, in dem eine
kleine Second-Hand-Buchhandlung untergebracht war. "Er saß davor,
unter einem Sonnenschirm, hat selbst gelesen - Kunden kamen raus,
gaben ihm Geld für ein Buch, er nahm das Geld und las weiter."
Die Szene habe etwas beeindruckend Entspanntes gehabt. Er habe kurz
überlegt, umzusatteln und selbst eine Buchhandlung zu eröffnen. "Es
war wie ein Tagtraum: Ich dachte mir, ich höre jetzt auf und mache
das jetzt hier - ich wollte kein Spieleentwickler mehr werden."
Der heute 27-Jährige ist dann aber doch in der Spielewelt geblieben,
er hat sein Games-Studium beendet und im Jahr 2021 mit seinem
Studienkollegen Raven Rusch (29) das Independent-Studio Neoludic
gegründet. Das Unternehmen hat inzwischen fünf Mitarbeiter.
Seinen neuseeländischen Tagtraum hat Zapfe-Wildemann zumindest etwas
wahr werden lassen und ihn zum Kern seiner Erfolgsgeschichte
gemacht: Er nutzte die damalige Buchladen-Szene als Inspiration für
ein Computerspiel namens "Tiny Bookshop" (Winziger Buchladen), das
sich bei der Verleihung der Deutschen Entwicklerpreise am
Dienstagabend in Köln in drei Kategorien durchgesetzt hat, und zwar
als "Bestes deutsches Spiel", als "Bestes Indie Game" und für die
"Beste Grafik". Neoludic war der große Gewinner des Abends.
Worum es in "Tiny Bookshop" geht
In dem Game steuert der Spieler einen Buchhändler einer Küstenstadt,
der seinen Kunden Bücher empfiehlt und ihnen bei der Erfüllung ihrer
Ziele hilft. Er interagiert mit Bewohnern der Stadt, etwa indem er
in einen Yoga-Club eintritt. Einem Stammkunden - Klaus, dem Rocker -
verhilft der Protagonist durch Werbung und warme Worte zu seinem
ersten Heavy-Metal-Konzert.
Touristen, die von ihrem Kreuzfahrtschiff in Scharen an Land kommen,
lassen zunächst die Kasse des Buchladens klingeln, irgendwann gehen
sie den Einheimischen aber auf den Wecker - und so kann der
Protagonist zu einem Trick greifen, um sie zu vertreiben. Oder er
übt sich in Geduld und die Touristen gehen irgendwann von selbst
weg.
"Tiny Bookshop" ist ein "Cozy Game" (gemütliches Spiel), bei dem es
nicht ums Gewinnen geht, der Protagonist kann nicht verlieren. Seine
Entscheidungen verändern die Handlung, ohne dass sie richtig oder
falsch sind. Der Protagonist sammelt Briefmarken und Polaroid-Fotos,
neben den titelgebenden Büchern sind dies weitere Bestandteile einer
analogen Welt. "Das Game ist eine Flucht in eine utopische Welt,
ganz ohne soziale Medien", sagt Rusch. Zapfe-Wildemann sieht das
Game als Hymne auf einen entschleunigten, selbstbestimmten
Lebensstil in einer post-kapitalistischen Welt.
Bei der Verleihung der Deutschen Entwicklerpreise fand Felix Falk
vom Branchenverband Game als Laudator lobende Worte: "Mit Herz,
Handwerk und einem unverwechselbaren Stil lässt das Gewinnerspiel
Kreativität, Wärme und Gemeinschaft miteinander verschmelzen."
"Tiny Bookshop" kam im August auf den Markt, seither wurde es nach
Angaben seiner Entwickler bereits mehr als 500.000 Mal verkauft -
eine beachtlich hohe Zahl für ein Spiel eines Independent Studios.
Ihre Erwartungen sehen die Gründer deutlich übertroffen.
Jagd auf Nazis bekommt zwei Auszeichnungen
"Tiny Bookshop" setzte sich gleich mehrfach gegen das Spiel "The
Darkest Files" von Paintbucket Games durch, die Berliner wurden
dafür aber in zwei anderen Kategorien ausgezeichnet ("Bestes
Gamesdesign" und "Bestes Game Beyond Entertainment"). In diesem
Spiel geht es um eine Staatsanwältin, die im Nachkriegsdeutschland
Altnazis jagt und ungesühnte Verbrechen ahnden will. Das Berliner
Entwicklerstudio Toukana Interactive wurde zum "Studio des Jahres"
gekürt - es hatte die Spieleszene vor einigen Jahren mit
"Dorfromantik" aufgemischt, einem relaxten Aufbauspiel mit
Nostalgie-Flair.
Sorgenfalten in der Branche glätten sich
Deutschlands Computerspiele-Branche hat turbulente Jahre hinter
sich. In der Coronazeit ging die Nachfrage nach Games durch die
Decke - die Menschen waren viel zu Hause und es wurde viel gezockt.
Nach dieser Hochphase allerdings gab es eine Bauchlandung, was an
einem Auf und Ab der Förderpolitik des Bundes lag und an einer
wachsenden Zurückhaltung von Investoren. Eine Reihe von Studios gab
auf und machte dicht.
Inzwischen hat sich die Lage verbessert, wie eine Branchenumfrage
des Verbands Game ergab: 29 Prozent der befragten Firmen blicken
sehr oder eher positiv auf die wirtschaftliche Entwicklung ihrer
Branche, das sind mehr als doppelt so viele wie vor zwei Jahren (12
Prozent). Die Bundesregierung hat den Fördertopf in Zeiten knapper
Staatskassen erheblich vergrößert, nächstes Jahr sollen 125
Millionen Euro fließen. Die passionierte Gamerin Dorothee Bär (CSU)
hat die Zuständigkeit für Games in ihr Bundesforschungsministerium
geholt.
Nachdem das Wehklagen der Branche über zu wenig Bundesmittel
jahrelang laut war, könnte es künftig zu der merkwürdigen Situation
kommen, dass im Fördertopf mehr Geld ist als gebraucht wird. "Die
größte Sorge ist, dass das Geld jetzt nicht abfließt", sagte
Computerspiele-Lobbyist Falk bei der Entwicklerpreis-Show und
appellierte an die 500 Gäste: "Schreibt fleißig Anträge und macht
fantastische Spiele, damit wir gemeinsam vorankommen."/wdw/DP/zb
AXC0057 2025-12-03/07:05
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Autor: - dpa-AFX
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