| Umstrittene Glyphosat-Studie nach 25 Jahren zurückgezogen |
| 10.12.2025 10:42:00 |
Eine Studie aus dem Jahr 2000, die eine zentrale
Rolle in der Debatte um die Sicherheit des Pestizids Glyphosat
spielt, ist von der Fachzeitschrift "Regulatory Toxicology and
Pharmacology" formell zurückgezogen worden. Das Papier war seither
ein wichtiges Argument für Angaben des damaligen Herstellers
Monsanto, der 2018 von Bayer übernommen wurde, das
Herbizid Roundup und sein Wirkstoff Glyphosat hätten keine
krebserregenden Wirkungen. Der jetzige Monsanto-Eigner Bayer wies
die Kritik indes zurück.
Die Studie habe weithin als wegweisend in der Debatte gegolten, hieß
es vom Fachverlag Elsevier, in dem das Fachblatt erscheint. Nun sei
aber unklar, ob die gezogene Schlussfolgerung - dass Glyphosat und
das Präparat Roundup nicht krebserregend sind - tatsächlich korrekt
ist.
Es wurden Bedenken hinsichtlich der Urheberschaft der Studie, der
Gültigkeit der Ergebnisse im Zusammenhang mit einer falschen
Darstellung der Beiträge der Autoren und des Studiensponsors sowie
potenzieller Interessenkonflikte der Autoren geäußert, schreibt der
zuständige Chefredakteur Martin van den Berg in der Mitteilung.
Demnach gibt es mehrere Punkte, die zur Rücknahme führten, unter
anderem:
Bewertung der Karzinogenität
Die Schlussfolgerungen der Studie hinsichtlich der Karzinogenität
von Glyphosat basieren ausschließlich auf Studien von Monsanto, die
kein tumorauslösendes Potenzial zeigten, schreibt van den Berg. Zum
Zeitpunkt der Veröffentlichung habe es andere Langzeitstudien zur
chronischen Toxizität und Karzinogenität gegeben, deren Daten nicht
berücksichtigt wurden.
Mangelnde Unabhängigkeit der Autoren
Ein Rechtsstreit in den USA brachte Korrespondenz von Monsanto ans
Licht, aus der hervorgeht, dass die drei in der Studie genannten
Autoren wohl nicht allein für den Inhalt verantwortlich waren.
Stattdessen hätten möglicherweise Mitarbeiter von Monsanto ohne
ordnungsgemäße Nennung als Mitautoren an der Erstellung mitgewirkt.
Falsche Darstellung der Beiträge
Die anscheinenden Beiträge der Mitarbeiter von Monsanto als
Mitautoren wurden im Abschnitt "Danksagungen" nicht ausdrücklich als
solche erwähnt. "Diese Auslassung lässt vermuten, dass die Autoren
ihre jeweiligen Rollen und den kooperativen Charakter der
vorgestellten Arbeit falsch dargestellt haben könnten."
Fragen zur finanziellen Vergütung
Weitere während des Rechtsstreits offengelegte Korrespondenz mit
Monsanto deutet der Mitteilung zufolge darauf hin, dass die drei
offiziell genannten Autoren möglicherweise eine finanzielle
Vergütung von Monsanto für ihre Arbeit an der Studie erhalten haben,
was nicht offengelegt wurde.
Historischer Kontext und Einfluss
Die Studie hatte jahrzehntelang einen erheblichen Einfluss auf
regulatorische Entscheidungen in Bezug auf Glyphosat und Roundup,
wie es hieß. "Angesichts seines Status als Eckpfeiler für die
Bewertung der Sicherheit von Glyphosat ist es unerlässlich, dass die
Seriosität dieses Übersichtsartikels und seiner Schlussfolgerungen
nicht beeinträchtigt wird."
Angesichts dieser Punkte gebe es kein Vertrauen mehr in die
Ergebnisse und Schlussfolgerungen, das mache die Rücknahme
notwendig, betont van den Berg.
Warum passiert das jetzt?
Im Jahr 2017 seien in einem Gerichtsverfahren interne E-Mails des
Chemiekonzerns Monsanto veröffentlicht worden, die nahelegten, dass
Mitarbeiter des Unternehmens an der Erstellung der einflussreichen
Studie mitgewirkt hatten, heißt es in einem Beitrag des Fachmagazins
"Science" zur Rücknahme.
Erst vor wenigen Monaten hatte ein Forschungsduo im Fachjournal
"Environmental Science & Policy" berichtet, wie stark die Studie
dennoch weiter zitiert wird und Einfluss hat: Die Studie gehört
demnach zu den 0,1 Prozent der meistzitierten Studien in der
Glyphosat-bezogenen Forschung. Die Enthüllungen über Monsantos
verdeckte Beteiligung hätten daran kaum etwas verändert.
Was sagt der Hersteller?
Der jetzige Monsanto-Eigner Bayer wies die Kritik zurück. Bei der
zurückgezogenen Studie handele sich um einen reinen
Übersichtsartikel ordnungsgemäß eingereichter Studien, erklärte
Konzernsprecher Philipp Blank in einer Stellungnahme auf Nachfrage
der Deutschen Presse-Agentur. "Glyphosat ist das in den letzten 50
Jahren am umfassendsten untersuchte Herbizid." Unter führenden
Regulierungsbehörden weltweit herrsche Einigkeit, dass Glyphosat bei
sachgemäßer Anwendung sicher sei.
Wie ist der Forschungsstand?
Glyphosat gilt nach Einschätzung der Internationalen Agentur für
Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsagentur (WHO) als
wahrscheinlich krebserregend für den Menschen. Behörden wie die
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sehen bei Einhaltung der
Anwendungsregeln kein relevantes Krebsrisiko.
Der vermeintliche Widerspruch ist dabei nicht wirklich einer: Die
IARC beurteilte die Krebsgefahr, also die generelle Möglichkeit,
dass Glyphosat Krebs verursacht. In die Bewertung der Behörden floss
das Alltagsrisiko als Faktor ein. Die EFSA bewertet das Krebsrisiko
bei den Mengen, die ein Mensch üblicherweise etwa über Lebensmittel
aufnimmt, als vernachlässigbar.
Wofür wird Glyphosat genutzt?
Es handelt sich um ein sogenanntes Totalherbizid, das nahezu alle
grünen Pflanzen schädigt. Glyphosat wird seit Mitte der 1970er-Jahre
vor allem unter dem Handelsnamen "Roundup" genutzt und ist heute in
zahlreichen Pflanzenschutzmitteln verschiedener Hersteller
enthalten. Landwirte sprühen es beispielsweise vor der Aussaat auf
Felder, um unerwünschte Konkurrenzpflanzen zu vernichten.
Die EU hat die Genehmigung für Glyphosat zuletzt bis Ende 2033
verlängert. In einem Teil der Mitgliedstaaten, darunter Deutschland,
sind Anwendungen in Haus- und Kleingärten sowie auf Flächen, die für
die Allgemeinheit bestimmt sind, verboten oder stark eingeschränkt.
In den USA hatten in den vergangenen Jahren an Krebs erkrankte
Menschen, die Roundup verwendet hatten, mehrfach hohe
Schadenersatzsummen zugesprochen bekommen./ram/kll/DP/mis
ISIN DE000BAY0017
AXC0100 2025-12-10/10:42
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Autor: - dpa-AFX
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