| Friedensplan in Gaza stockt - Entwaffnung der Hamas als Hürde |
| 24.12.2025 15:28:00 |
Seit mehr als zwei Monaten gilt
im Gazastreifen offiziell eine Waffenruhe. Doch für die Menschen in
dem verwüsteten Küstenstreifen ist der Alltag weit entfernt von
Normalität. Der 46-jährige Mahmud Abd al-Hadi etwa musste mit seiner
Familie während des zweijährigen Krieges immer wieder fliehen. Bis
heute ist ihr Alltag geprägt vom Kampf um die Versorgung und der
Angst vor einem neuen Ausbruch der Gefechte zwischen islamistischer
Hamas und Israels Armee.
Die Menschen seien müde, sagt al-Hadi. "Meine Kinder fragen mich,
wann wir nach Hause zurückkehren, wann das Leben wieder normal wird.
Und ich habe keine Antworten."
Der lateinische Patriarch, höchster Repräsentant der katholischen
Kirche im Heiligen Land, besuchte vor Weihnachten den Gazastreifen.
Zum ersten Mal seit Ende des verheerenden Krieges feiern Christen im
Heiligen Land wieder Weihnachten. Auf dem Krippenplatz vor der
Geburtskirche in Bethlehem steht in diesem Jahr erstmals wieder ein
großer Weihnachtsbaum.
Klare Mehrheit der Palästinenser gegen Entwaffnung der Hamas
Die nun anstehende zweite Phase des 20-Punkte-Plans von US-Präsident
Donald Trump sieht eine Entwaffnung der Hamas und die Einsetzung
einer internationalen Stabilisierungstruppe (ISF) vor. Die
Terrororganisation lehnt es jedoch strikt ab, ihre Waffen
niederzulegen.
Die Meinungen zu einer Entwaffnung der Hamas gehen auch in der
Bevölkerung auseinander. Während der vierfache Vater al-Hadi dafür
ist, dass die Hamas ihre Waffen niederlegt, lehnt der 29-jährige
Ahmed Nasser al-Attar dies klar ab. "Wer vom Ende der Hamas oder vom
Wiederaufbau Gazas spricht, ist realitätsfremd", sagt er. Die
gegenwärtige Waffenruhe sei kein Frieden, "sondern nur eine
vorübergehende Pause". Ohne eine echte Friedensregelung und ein Ende
der israelischen Besatzung von palästinensischen Gebieten werde der
Konflikt weitergehen, ist der zweifache Vater überzeugt. "Meine
größte Angst ist, dass meine Kinder im selben Kreislauf aufwachsen
wie wir: Krieg, brüchige Ruhe und dann wieder Krieg."
Laut einer Umfrage des Palästinensischen Zentrums für Politik und
Meinungsforschung in Ramallah lehnen rund 70 Prozent der
Palästinenser die im Friedensplan Trumps vorgesehene Entwaffnung der
Hamas ab. Besonders im Westjordanland ist die Ablehnung mit 80
Prozent hoch, während sie im vom Krieg gezeichneten Gazastreifen bei
55 Prozent liegt.
Und: Trotz der katastrophalen Zerstörungen und des Tods
Zehntausender Menschen in dem Küstenstreifen unterstützt laut der
Umfrage weiterhin mehr als die Hälfte der Palästinenser den
Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, der den Krieg
ausgelöst hatte.
Die humanitäre Lage in dem blockierten Gebiet hat sich zwar seit der
Waffenruhe etwas verbessert, doch insgesamt bleibt die Situation
prekär. Nach jüngsten Angaben des UN-Nothilfebüros Ocha sind mehr
als 80 Prozent der Gebäude in dem Küstenstreifen am Mittelmeer
zerstört oder beschädigt. Zahlreiche Menschen, die ihre Häuser
verloren haben, hausen weiter in Zeltlagern und sind dabei
winterlichem Wetter ausgesetzt.
Kompletter Sieg über Hamas eine Illusion
Der vom israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu
versprochene "absolute Sieg" über die Hamas hat sich als Illusion
erwiesen. Die Terrororganisation hat in dem von ihr kontrollierten
Gebiet wohl auch mit Hilfe ihres brutalen Vorgehens gegen interne
Gegner weiter die Macht, obwohl sie durchaus geschwächt ist. Die
Hamas hat allerdings keine Probleme, neue Kämpfer zu rekrutieren -
sicherlich auch angesichts der Wut vieler Menschen über Israels
hartes Vorgehen im Krieg.
Trump sprach nach der Vereinbarung einer Waffenruhe am 10. Oktober
nach zwei Jahren Krieg von "Frieden in Nahost". Vereinbart wurde
lediglich eine Waffenruhe - und selbst die bleibt fragil, es kommt
immer wieder zu tödlichen Vorfällen. Nach Angaben der von der Hamas
kontrollierten Gesundheitsbehörde sind seit Beginn der Waffenruhe
rund 400 Palästinenser im Gazastreifen getötet worden. Ähnlich wie
im Libanon greift Israel weiter in dem Küstenstreifen an, nach
Darstellung der Armee handelt es sich um Terrorziele. Dabei kommen
jedoch auch Zivilisten ums Leben.
Im Zuge des Gaza-"Friedensplans" wurden alle noch lebenden Geiseln
der Hamas freigelassen, die israelischen Truppen zogen sich im
Gegenzug aus Teilen des Gazastreifens zurück. Die Leiche einer am 7.
Oktober 2023 entführten Geisel befindet sich weiter im Gazastreifen
- damit sind weiterhin nicht alle Bedingungen der ersten Phase des
Trump-Plans erfüllt.
Es ist unklar, wie die nächste Phase umgesetzt werden soll. Und
damit ist auch offen, ob sich die Lage dauerhaft stabilisieren
lässt.
Nach Darstellung des US-Sondergesandten Steve Witkoff geht es aber
durchaus voran. Nach Sondierungen mit Vertretern Ägyptens, Katars
und der Türkei schrieb er auf X, in den kommenden Wochen sollten
weitere Gespräche folgen, "um die Umsetzung der zweiten Phase
voranzutreiben". Und der israelische Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu besucht vom 29. Dezember an eine Woche lang die USA, dabei
sind auch Gespräche mit Trump über das weitere Vorgehen geplant.
Gazastreifen de facto in zwei Hälften geteilt.
Der mit einer UN-Resolution abgesicherte Plan verlangt auch einen
weiteren Rückzug israelischer Truppen aus dem Küstenstreifen. Der
palästinensische Politikwissenschaftler Ghassan Chatib meint, der
Übergang zur zweiten Phase sei "schwierig bis unmöglich". Weder für
Israel noch für die Hamas sei es ein echtes Anliegen, die
Bedingungen zu erfüllen. Es liege im Interesse Israels, die
Kontrolle über die Hälfte des Gazastreifens zu behalten und seine
Truppen nicht weiter zurückzuziehen.
"Und die Hamas ist überzeugt, dass es besser ist, die Kontrolle über
eine Hälfte des Gazastreifens zu bewahren, als die Option zu
akzeptieren, die ihr in der zweiten Phase des Abkommens geboten
würde", sagt Chatib. Außerdem sei es schwierig, Länder zu finden,
die im Rahmen der Stabilisierungstruppe militärische Verantwortung
übernehmen wollten.
Bisher hat nur die Türkei eine klare Bereitschaft bekundet, Israel
lehnt dies jedoch wegen der stark israelkritischen und
Hamas-freundlichen Haltung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip
Erdogan ab.
Entwaffnung der Hamas bleibt größtes Hindernis
Der israelische Politikwissenschaftler Jonathan Rynhold betont, ohne
eine Entwaffnung der Hamas könne es keine ernsthaften Fortschritte
in den Bemühungen um eine dauerhafte Befriedung des Gastreifens
geben. "Niemand wird die Hamas entwaffnen außer der israelischen
Armee, denn keines der Länder, die sich zu einer internationalen
Truppe verpflichtet haben oder dies in Erwägung gezogen haben, ist
bereit, das zu tun", sagt Rynhold. Er sehe überdies "keine Chance",
dass Trump amerikanische Bodentruppen entsenden könnte, um dies
selbst in die Hand zu nehmen.
"Dies bleibt das zentrale Hindernis, denn ohne eine Entwaffnung
würde man schlicht eine Organisation bestehen lassen, die (das
Massaker am) 7. Oktober verübt hat und gemeinsam mit Verbündeten in
der Region die Zerstörung Israels anstrebt", sagt der
Politikwissenschaftler. Zudem werde niemand große Summen in den
Wiederaufbau des weitgehend zerstörten Küstenstreifens investieren,
wenn davon auszugehen sei, dass der Konflikt zwischen der Hamas und
Israel weiter andauert./mak/DP/he
AXC0048 2025-12-24/15:28
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Autor: - dpa-AFX
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